Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.Es war vor Allerheiligen, im October. Tag Es war vor Allerheiligen, im October. Tag <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0213" n="201"/> <p>Es war vor Allerheiligen, im October. Tag<lb/> über hatte es ſtark aus Südweſt geſtürmt; Abends<lb/> ſtand ein halber Mond am Himmel, dunkel-<lb/> braune Wolken jagten überhin, und Schatten und<lb/> trübes Licht flogen auf der Erde durcheinander;<lb/> der Sturm war im Wachſen. Im Zimmer des<lb/> Deichgrafen ſtand noch der geleerte Abendtiſch; die<lb/> Knechte waren in den Stall gewieſen, um dort<lb/> des Viehes zu achten; die Mägde mußten im Hauſe<lb/> und auf den Böden nachſehen, ob Thüren und<lb/> Luken wohl verſchloſſen ſeien, daß nicht der Sturm<lb/> hineinfaſſe und Unheil anrichte. Drinnen ſtand<lb/> Hauke neben ſeiner Frau am Fenſter; er hatte eben<lb/> ſein Abendbrot hinabgeſchlungen; er war draußen<lb/> auf dem Deich geweſen. Zu Fuße war er hinaus-<lb/> getrabt, ſchon früh am Nachmittag; ſpitze Pfähle<lb/> und Säcke voll Klei oder Erde hatte er hie und<lb/> dort, wo der Deich eine Schwäche zu verrathen<lb/> ſchien, zuſammentragen laſſen; überall hatte er<lb/> Leute angeſtellt, um die Pfähle einzurammen und<lb/> mit den Säcken vorzudämmen, ſobald die Fluth den<lb/> Deich zu ſchädigen beginne; an dem Winkel zu<lb/> Nordweſten, wo der alte und der neue Deich zu-<lb/> ſammenſtießen, hatte er die meiſten Menſchen hin-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [201/0213]
Es war vor Allerheiligen, im October. Tag
über hatte es ſtark aus Südweſt geſtürmt; Abends
ſtand ein halber Mond am Himmel, dunkel-
braune Wolken jagten überhin, und Schatten und
trübes Licht flogen auf der Erde durcheinander;
der Sturm war im Wachſen. Im Zimmer des
Deichgrafen ſtand noch der geleerte Abendtiſch; die
Knechte waren in den Stall gewieſen, um dort
des Viehes zu achten; die Mägde mußten im Hauſe
und auf den Böden nachſehen, ob Thüren und
Luken wohl verſchloſſen ſeien, daß nicht der Sturm
hineinfaſſe und Unheil anrichte. Drinnen ſtand
Hauke neben ſeiner Frau am Fenſter; er hatte eben
ſein Abendbrot hinabgeſchlungen; er war draußen
auf dem Deich geweſen. Zu Fuße war er hinaus-
getrabt, ſchon früh am Nachmittag; ſpitze Pfähle
und Säcke voll Klei oder Erde hatte er hie und
dort, wo der Deich eine Schwäche zu verrathen
ſchien, zuſammentragen laſſen; überall hatte er
Leute angeſtellt, um die Pfähle einzurammen und
mit den Säcken vorzudämmen, ſobald die Fluth den
Deich zu ſchädigen beginne; an dem Winkel zu
Nordweſten, wo der alte und der neue Deich zu-
ſammenſtießen, hatte er die meiſten Menſchen hin-
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