Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Langmuth weiter nicht zu trotzen. Ich, meine
Freunde, bin ein Greis; ich habe Deiche bauen
und brechen sehen; aber den Deich, den Hauke
Haien nach ihm von Gott verliehener Einsicht
projectirt und bei der Herrschaft für Euch durch-
gesetzt hat, den wird Niemand von Euch Lebenden
brechen sehen; und wolltet Ihr ihm selbst nicht
danken, Euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz
doch einstens nicht versagen können!"

Jewe Manners setzte sich wieder; er nahm
sein blaues Schnupftuch aus der Tasche und wischte
sich ein paar Tropfen von der Stirn. Der Greis
war noch immer als ein Mann von Tüchtigkeit
und unantastbarer Rechtschaffenheit bekannt, und
da die Versammlung eben nicht geneigt war, ihm
zuzustimmen, so schwieg sie weiter. Aber Hauke
Haien nahm das Wort; doch sahen Alle, daß er
bleich geworden. "Ich danke Euch, Jewe Manners,"
sprach er, "daß Ihr noch hier seid, und daß Ihr
das Wort gesprochen habt; Ihr andern Herren Ge-
vollmächtigten, wollet den neuen Deichbau, der
freilich mir zur Last fällt, zum mindesten ansehen
als ein Ding, das nun nicht mehr zu ändern steht, und
lasset uns demgemäß beschließen, was nun noth ist!"

Langmuth weiter nicht zu trotzen. Ich, meine
Freunde, bin ein Greis; ich habe Deiche bauen
und brechen ſehen; aber den Deich, den Hauke
Haien nach ihm von Gott verliehener Einſicht
projectirt und bei der Herrſchaft für Euch durch-
geſetzt hat, den wird Niemand von Euch Lebenden
brechen ſehen; und wolltet Ihr ihm ſelbſt nicht
danken, Euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz
doch einſtens nicht verſagen können!”

Jewe Manners ſetzte ſich wieder; er nahm
ſein blaues Schnupftuch aus der Taſche und wiſchte
ſich ein paar Tropfen von der Stirn. Der Greis
war noch immer als ein Mann von Tüchtigkeit
und unantaſtbarer Rechtſchaffenheit bekannt, und
da die Verſammlung eben nicht geneigt war, ihm
zuzuſtimmen, ſo ſchwieg ſie weiter. Aber Hauke
Haien nahm das Wort; doch ſahen Alle, daß er
bleich geworden. „Ich danke Euch, Jewe Manners,”
ſprach er, „daß Ihr noch hier ſeid, und daß Ihr
das Wort geſprochen habt; Ihr andern Herren Ge-
vollmächtigten, wollet den neuen Deichbau, der
freilich mir zur Laſt fällt, zum mindeſten anſehen
als ein Ding, das nun nicht mehr zu ändern ſteht, und
laſſet uns demgemäß beſchließen, was nun noth iſt!”

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="136"/>
Langmuth weiter nicht zu trotzen. Ich, meine<lb/>
Freunde, bin ein Greis; ich habe Deiche bauen<lb/>
und brechen &#x017F;ehen; aber den Deich, den Hauke<lb/>
Haien nach ihm von Gott verliehener Ein&#x017F;icht<lb/>
projectirt und bei der Herr&#x017F;chaft für Euch durch-<lb/>
ge&#x017F;etzt hat, den wird Niemand von Euch Lebenden<lb/>
brechen &#x017F;ehen; und wolltet Ihr ihm &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
danken, Euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz<lb/>
doch ein&#x017F;tens nicht ver&#x017F;agen können!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Jewe Manners &#x017F;etzte &#x017F;ich wieder; er nahm<lb/>
&#x017F;ein blaues Schnupftuch aus der Ta&#x017F;che und wi&#x017F;chte<lb/>
&#x017F;ich ein paar Tropfen von der Stirn. Der Greis<lb/>
war noch immer als ein Mann von Tüchtigkeit<lb/>
und unanta&#x017F;tbarer Recht&#x017F;chaffenheit bekannt, und<lb/>
da die Ver&#x017F;ammlung eben nicht geneigt war, ihm<lb/>
zuzu&#x017F;timmen, &#x017F;o &#x017F;chwieg &#x017F;ie weiter. Aber Hauke<lb/>
Haien nahm das Wort; doch &#x017F;ahen Alle, daß er<lb/>
bleich geworden. &#x201E;Ich danke Euch, Jewe Manners,&#x201D;<lb/>
&#x017F;prach er, &#x201E;daß Ihr noch hier &#x017F;eid, und daß Ihr<lb/>
das Wort ge&#x017F;prochen habt; Ihr andern Herren Ge-<lb/>
vollmächtigten, wollet den neuen Deichbau, der<lb/>
freilich mir zur La&#x017F;t fällt, zum minde&#x017F;ten an&#x017F;ehen<lb/>
als ein Ding, das nun nicht mehr zu ändern &#x017F;teht, und<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et uns demgemäß be&#x017F;chließen, was nun noth i&#x017F;t!&#x201D;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0148] Langmuth weiter nicht zu trotzen. Ich, meine Freunde, bin ein Greis; ich habe Deiche bauen und brechen ſehen; aber den Deich, den Hauke Haien nach ihm von Gott verliehener Einſicht projectirt und bei der Herrſchaft für Euch durch- geſetzt hat, den wird Niemand von Euch Lebenden brechen ſehen; und wolltet Ihr ihm ſelbſt nicht danken, Euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz doch einſtens nicht verſagen können!” Jewe Manners ſetzte ſich wieder; er nahm ſein blaues Schnupftuch aus der Taſche und wiſchte ſich ein paar Tropfen von der Stirn. Der Greis war noch immer als ein Mann von Tüchtigkeit und unantaſtbarer Rechtſchaffenheit bekannt, und da die Verſammlung eben nicht geneigt war, ihm zuzuſtimmen, ſo ſchwieg ſie weiter. Aber Hauke Haien nahm das Wort; doch ſahen Alle, daß er bleich geworden. „Ich danke Euch, Jewe Manners,” ſprach er, „daß Ihr noch hier ſeid, und daß Ihr das Wort geſprochen habt; Ihr andern Herren Ge- vollmächtigten, wollet den neuen Deichbau, der freilich mir zur Laſt fällt, zum mindeſten anſehen als ein Ding, das nun nicht mehr zu ändern ſteht, und laſſet uns demgemäß beſchließen, was nun noth iſt!”

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/148
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/148>, abgerufen am 22.11.2024.