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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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"Ja, ja, Iven; sieh nur, es frißt ganz wie
ein Pferd! Aber wer hat's dahin gebracht; wir
haben im Dorf so große Böte gar nicht! Viel-
leicht auch ist es nur ein Schaf; Peter Ohm sagt,
im Mondschein wird aus zehn Torfringeln ein
ganzes Dorf. Nein, sieh! Nun springt es --
es muß doch ein Pferd sein!"

Beide standen eine Weile schweigend, die
Augen nur nach Dem gerichtet, was sie drüben
undeutlich vor sich gehen sahen. Der Mond stand
hoch am Himmel und beschien das weite Watten-
meer, das eben in der steigenden Fluth seine Wasser
über die glitzernden Schlickflächen zu spülen be-
gann; nur das leise Geräuch des Wassers, keine
Thierstimme war in der ungeheuren Weite hier
zu hören; auch in der Marsch, hinter dem Deiche,
war es leer; Kühe und Rinder waren alle noch
in den Ställen. Nichts regte sich; nur was sie für
ein Pferd, einen Schimmel hielten, schien dort
auf Jevershallig noch beweglich. "Es wird heller,"
unterbrach der Knecht die Stille; "ich sehe deutlich
die weißen Schafgerippe schimmern!"

"Ich auch," sagte der Junge, und reckte den
Hals; dann aber, als komme es ihm plötzlich,

„Ja, ja, Iven; ſieh nur, es frißt ganz wie
ein Pferd! Aber wer hat's dahin gebracht; wir
haben im Dorf ſo große Böte gar nicht! Viel-
leicht auch iſt es nur ein Schaf; Peter Ohm ſagt,
im Mondſchein wird aus zehn Torfringeln ein
ganzes Dorf. Nein, ſieh! Nun ſpringt es —
es muß doch ein Pferd ſein!”

Beide ſtanden eine Weile ſchweigend, die
Augen nur nach Dem gerichtet, was ſie drüben
undeutlich vor ſich gehen ſahen. Der Mond ſtand
hoch am Himmel und beſchien das weite Watten-
meer, das eben in der ſteigenden Fluth ſeine Waſſer
über die glitzernden Schlickflächen zu ſpülen be-
gann; nur das leiſe Geräuch des Waſſers, keine
Thierſtimme war in der ungeheuren Weite hier
zu hören; auch in der Marſch, hinter dem Deiche,
war es leer; Kühe und Rinder waren alle noch
in den Ställen. Nichts regte ſich; nur was ſie für
ein Pferd, einen Schimmel hielten, ſchien dort
auf Jevershallig noch beweglich. „Es wird heller,”
unterbrach der Knecht die Stille; „ich ſehe deutlich
die weißen Schafgerippe ſchimmern!”

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Hals; dann aber, als komme es ihm plötzlich,

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[116/0128] „Ja, ja, Iven; ſieh nur, es frißt ganz wie ein Pferd! Aber wer hat's dahin gebracht; wir haben im Dorf ſo große Böte gar nicht! Viel- leicht auch iſt es nur ein Schaf; Peter Ohm ſagt, im Mondſchein wird aus zehn Torfringeln ein ganzes Dorf. Nein, ſieh! Nun ſpringt es — es muß doch ein Pferd ſein!” Beide ſtanden eine Weile ſchweigend, die Augen nur nach Dem gerichtet, was ſie drüben undeutlich vor ſich gehen ſahen. Der Mond ſtand hoch am Himmel und beſchien das weite Watten- meer, das eben in der ſteigenden Fluth ſeine Waſſer über die glitzernden Schlickflächen zu ſpülen be- gann; nur das leiſe Geräuch des Waſſers, keine Thierſtimme war in der ungeheuren Weite hier zu hören; auch in der Marſch, hinter dem Deiche, war es leer; Kühe und Rinder waren alle noch in den Ställen. Nichts regte ſich; nur was ſie für ein Pferd, einen Schimmel hielten, ſchien dort auf Jevershallig noch beweglich. „Es wird heller,” unterbrach der Knecht die Stille; „ich ſehe deutlich die weißen Schafgerippe ſchimmern!” „Ich auch,” ſagte der Junge, und reckte den Hals; dann aber, als komme es ihm plötzlich,

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/128>, abgerufen am 22.11.2024.