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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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derzeit und ist auch jetzt noch das Geschwätz des
ganzen Marschdorfes, so bald nur um Allerheiligen
die Spinnräder an zu schnurren fangen.

Von der Hofstelle des Deichgrafen, etwa fünf
bis sechshundert Schritte weiter nordwärts, sah
man derzeit, wenn man auf dem Deiche stand, ein
paar tausend Schritt ins Wattenmeer hinaus und
etwas weiter von dem gegenüberliegenden Marsch-
ufer entfernt eine kleine Hallig, die sie "Jeverssand"
auch "Jevershallig" nannten. Von den derzeitigen
Großvätern war sie noch zur Schafweide benutzt
worden, denn Gras war damals noch darauf ge-
wachsen; aber auch das hatte aufgehört, weil die
niedrige Hallig ein paar Mal, und just im Hoch-
sommer, unter Seewasser gekommen und der Gras-
wuchs dadurch verkümmert und auch zur Schaf-
weide unnutzbar geworden war. So kam es denn,
daß außer von Möwen und den andern Vögeln, die
am Strande fliegen, und etwa einmal von einem
Fischadler dort kein Besuch mehr stattfand; und
an mondhellen Abenden sah man vom Deiche aus
nur die Nebeldünste leichter oder schwerer darüber
hinziehen. Ein paar weißgebleichte Knochengerüste
ertrunkener Schafe und das Gerippe eines Pferdes,

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 8

derzeit und iſt auch jetzt noch das Geſchwätz des
ganzen Marſchdorfes, ſo bald nur um Allerheiligen
die Spinnräder an zu ſchnurren fangen.

Von der Hofſtelle des Deichgrafen, etwa fünf
bis ſechshundert Schritte weiter nordwärts, ſah
man derzeit, wenn man auf dem Deiche ſtand, ein
paar tauſend Schritt ins Wattenmeer hinaus und
etwas weiter von dem gegenüberliegenden Marſch-
ufer entfernt eine kleine Hallig, die ſie „Jeversſand”
auch „Jevershallig” nannten. Von den derzeitigen
Großvätern war ſie noch zur Schafweide benutzt
worden, denn Gras war damals noch darauf ge-
wachſen; aber auch das hatte aufgehört, weil die
niedrige Hallig ein paar Mal, und juſt im Hoch-
ſommer, unter Seewaſſer gekommen und der Gras-
wuchs dadurch verkümmert und auch zur Schaf-
weide unnutzbar geworden war. So kam es denn,
daß außer von Möwen und den andern Vögeln, die
am Strande fliegen, und etwa einmal von einem
Fiſchadler dort kein Beſuch mehr ſtattfand; und
an mondhellen Abenden ſah man vom Deiche aus
nur die Nebeldünſte leichter oder ſchwerer darüber
hinziehen. Ein paar weißgebleichte Knochengerüſte
ertrunkener Schafe und das Gerippe eines Pferdes,

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 8
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[113/0125] derzeit und iſt auch jetzt noch das Geſchwätz des ganzen Marſchdorfes, ſo bald nur um Allerheiligen die Spinnräder an zu ſchnurren fangen. Von der Hofſtelle des Deichgrafen, etwa fünf bis ſechshundert Schritte weiter nordwärts, ſah man derzeit, wenn man auf dem Deiche ſtand, ein paar tauſend Schritt ins Wattenmeer hinaus und etwas weiter von dem gegenüberliegenden Marſch- ufer entfernt eine kleine Hallig, die ſie „Jeversſand” auch „Jevershallig” nannten. Von den derzeitigen Großvätern war ſie noch zur Schafweide benutzt worden, denn Gras war damals noch darauf ge- wachſen; aber auch das hatte aufgehört, weil die niedrige Hallig ein paar Mal, und juſt im Hoch- ſommer, unter Seewaſſer gekommen und der Gras- wuchs dadurch verkümmert und auch zur Schaf- weide unnutzbar geworden war. So kam es denn, daß außer von Möwen und den andern Vögeln, die am Strande fliegen, und etwa einmal von einem Fiſchadler dort kein Beſuch mehr ſtattfand; und an mondhellen Abenden ſah man vom Deiche aus nur die Nebeldünſte leichter oder ſchwerer darüber hinziehen. Ein paar weißgebleichte Knochengerüſte ertrunkener Schafe und das Gerippe eines Pferdes, Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 8

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/125>, abgerufen am 22.11.2024.