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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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wohl, Herr Nachbar - es macht die Weiber fürchten und fängt sie endlich doch, wie arme Vögelchen! Man soll nur wissen, daß nichts, als böse Lust dahinter steckt."

Die Alte stand mit übergeschlagenen Händen vor ihm und sah in dummer Anbetung zu ihm auf. Für mich, das muß ich sagen, hatte der Geselle eine verflucht konfiscirte Physiognomie. Er hatte stets nur zu der Mutter geredet; aber Anna, die dort im Winkel stand, sah mit brennenden Augen auf ihn hin. War das am Ende ihre vornehme Bekanntschaft, von der jene Mädchen gesprochen hatten?

Ich ging zurück an die Hausthüre und stieß sie zu, daß die Glocke läutete; dann trat ich in den Laden. Mein Erscheinen mochte den drinnen eben kein groß Plaisir machen: Anna kam aus ihrer Ecke und ging daran, einige Bänder und Spitzen vom Tische in einen Pappkasten zu räumen; der fremde Musjö hob sein Glas an die Augen und sah auf mich herab, als ob ich unter seinem Blick verschwinden müßte.

Aber ich verschwand nicht; sondern setzte mich auf einen Stuhl neben der Thür und sagte: "Schön warm hier drinnen; guten Abend, meine Herrschaften!"

Das alte Weib drehte sich hin und her: "Unser

wohl, Herr Nachbar – es macht die Weiber fürchten und fängt sie endlich doch, wie arme Vögelchen! Man soll nur wissen, daß nichts, als böse Lust dahinter steckt.“

Die Alte stand mit übergeschlagenen Händen vor ihm und sah in dummer Anbetung zu ihm auf. Für mich, das muß ich sagen, hatte der Geselle eine verflucht konfiscirte Physiognomie. Er hatte stets nur zu der Mutter geredet; aber Anna, die dort im Winkel stand, sah mit brennenden Augen auf ihn hin. War das am Ende ihre vornehme Bekanntschaft, von der jene Mädchen gesprochen hatten?

Ich ging zurück an die Hausthüre und stieß sie zu, daß die Glocke läutete; dann trat ich in den Laden. Mein Erscheinen mochte den drinnen eben kein groß Plaisir machen: Anna kam aus ihrer Ecke und ging daran, einige Bänder und Spitzen vom Tische in einen Pappkasten zu räumen; der fremde Musjö hob sein Glas an die Augen und sah auf mich herab, als ob ich unter seinem Blick verschwinden müßte.

Aber ich verschwand nicht; sondern setzte mich auf einen Stuhl neben der Thür und sagte: „Schön warm hier drinnen; guten Abend, meine Herrschaften!“

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[60/0064] wohl, Herr Nachbar – es macht die Weiber fürchten und fängt sie endlich doch, wie arme Vögelchen! Man soll nur wissen, daß nichts, als böse Lust dahinter steckt.“ Die Alte stand mit übergeschlagenen Händen vor ihm und sah in dummer Anbetung zu ihm auf. Für mich, das muß ich sagen, hatte der Geselle eine verflucht konfiscirte Physiognomie. Er hatte stets nur zu der Mutter geredet; aber Anna, die dort im Winkel stand, sah mit brennenden Augen auf ihn hin. War das am Ende ihre vornehme Bekanntschaft, von der jene Mädchen gesprochen hatten? Ich ging zurück an die Hausthüre und stieß sie zu, daß die Glocke läutete; dann trat ich in den Laden. Mein Erscheinen mochte den drinnen eben kein groß Plaisir machen: Anna kam aus ihrer Ecke und ging daran, einige Bänder und Spitzen vom Tische in einen Pappkasten zu räumen; der fremde Musjö hob sein Glas an die Augen und sah auf mich herab, als ob ich unter seinem Blick verschwinden müßte. Aber ich verschwand nicht; sondern setzte mich auf einen Stuhl neben der Thür und sagte: „Schön warm hier drinnen; guten Abend, meine Herrschaften!“ Das alte Weib drehte sich hin und her: „Unser

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Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/64>, abgerufen am 24.11.2024.