Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Monaco beim Pharao und beim Roulett', unter dem vornehmen nichtsnutzigen Volk war mir solche Menschenstimme vorgekommen.

Unwillkürlich trat ich dem Guckfenster näher; denn ich hörte schon die Alte sagen. "O, Herr Baron, wenn doch Alle Ihresgleichen solche Grundsätze hätten!"

Aber der Versucher war schon wieder da. "Ich bitte, Madame, beurteilen Sie uns nicht voreilig! Der Präsident unsrer Gesellschaft ist von einer Strenge, daß man sich ihm gegenüber um sich selber, ja fast um unsre Damen bangen dürfte; aber - enfin, er wurde gewählt, und zwar mit allen Stimmen!"

Ein Ruf des Erstaunens entfuhr unserem alten Tugendmöbel, als ich eben in das Fenster sah. Ein großer, eleganter Herr saß beinbaumelnd vorne auf dem Ladentisch; wahrhaftig, Herr Nachbar, ich weiß noch heute, daß das Bein in perlgrauen Hosen steckte! Im Uebrigen Alles, wie man's nur verlangen konnte; dünnes aber modisch frisirtes schwarzes Haar, ein kleiner Schnurrbart in einem glattrasirten Angesicht; die eine Hand, in hellem knappen Handschuh, lag mit dem Augenglas auf seinem Knie. Er sah nicht übel aus, bei Leibe nicht! Aber um Mund und Augen zuckte etwas - ich kannt' es

Monaco beim Pharao und beim Roulett’, unter dem vornehmen nichtsnutzigen Volk war mir solche Menschenstimme vorgekommen.

Unwillkürlich trat ich dem Guckfenster näher; denn ich hörte schon die Alte sagen. „O, Herr Baron, wenn doch Alle Ihresgleichen solche Grundsätze hätten!“

Aber der Versucher war schon wieder da. „Ich bitte, Madame, beurteilen Sie uns nicht voreilig! Der Präsident unsrer Gesellschaft ist von einer Strenge, daß man sich ihm gegenüber um sich selber, ja fast um unsre Damen bangen dürfte; aber – enfin, er wurde gewählt, und zwar mit allen Stimmen!“

Ein Ruf des Erstaunens entfuhr unserem alten Tugendmöbel, als ich eben in das Fenster sah. Ein großer, eleganter Herr saß beinbaumelnd vorne auf dem Ladentisch; wahrhaftig, Herr Nachbar, ich weiß noch heute, daß das Bein in perlgrauen Hosen steckte! Im Uebrigen Alles, wie man’s nur verlangen konnte; dünnes aber modisch frisirtes schwarzes Haar, ein kleiner Schnurrbart in einem glattrasirten Angesicht; die eine Hand, in hellem knappen Handschuh, lag mit dem Augenglas auf seinem Knie. Er sah nicht übel aus, bei Leibe nicht! Aber um Mund und Augen zuckte etwas – ich kannt’ es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="59"/>
Monaco beim Pharao und beim Roulett&#x2019;, unter dem vornehmen nichtsnutzigen Volk war mir solche Menschenstimme vorgekommen.</p>
        <p>Unwillkürlich trat ich dem Guckfenster näher; denn ich hörte schon die Alte sagen. &#x201E;O, Herr Baron, wenn doch Alle Ihresgleichen solche Grundsätze hätten!&#x201C;</p>
        <p>Aber der Versucher war schon wieder da. &#x201E;Ich bitte, Madame, beurteilen Sie uns nicht voreilig! Der Präsident unsrer Gesellschaft ist von einer Strenge, daß man sich ihm gegenüber um sich selber, ja fast um unsre Damen bangen dürfte; aber &#x2013; <hi rendition="#aq">enfin</hi>, er wurde gewählt, und zwar mit allen Stimmen!&#x201C;</p>
        <p>Ein Ruf des Erstaunens entfuhr unserem alten Tugendmöbel, als ich eben in das Fenster sah. Ein großer, eleganter Herr saß beinbaumelnd vorne auf dem Ladentisch; wahrhaftig, Herr Nachbar, ich weiß noch heute, daß das Bein in perlgrauen Hosen steckte! Im Uebrigen Alles, wie man&#x2019;s nur verlangen konnte; dünnes aber modisch frisirtes schwarzes Haar, ein kleiner Schnurrbart in einem glattrasirten Angesicht; die eine Hand, in hellem knappen Handschuh, lag mit dem Augenglas auf seinem Knie. Er sah nicht übel aus, bei Leibe nicht! Aber um Mund und Augen zuckte etwas &#x2013; ich kannt&#x2019; es
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0063] Monaco beim Pharao und beim Roulett’, unter dem vornehmen nichtsnutzigen Volk war mir solche Menschenstimme vorgekommen. Unwillkürlich trat ich dem Guckfenster näher; denn ich hörte schon die Alte sagen. „O, Herr Baron, wenn doch Alle Ihresgleichen solche Grundsätze hätten!“ Aber der Versucher war schon wieder da. „Ich bitte, Madame, beurteilen Sie uns nicht voreilig! Der Präsident unsrer Gesellschaft ist von einer Strenge, daß man sich ihm gegenüber um sich selber, ja fast um unsre Damen bangen dürfte; aber – enfin, er wurde gewählt, und zwar mit allen Stimmen!“ Ein Ruf des Erstaunens entfuhr unserem alten Tugendmöbel, als ich eben in das Fenster sah. Ein großer, eleganter Herr saß beinbaumelnd vorne auf dem Ladentisch; wahrhaftig, Herr Nachbar, ich weiß noch heute, daß das Bein in perlgrauen Hosen steckte! Im Uebrigen Alles, wie man’s nur verlangen konnte; dünnes aber modisch frisirtes schwarzes Haar, ein kleiner Schnurrbart in einem glattrasirten Angesicht; die eine Hand, in hellem knappen Handschuh, lag mit dem Augenglas auf seinem Knie. Er sah nicht übel aus, bei Leibe nicht! Aber um Mund und Augen zuckte etwas – ich kannt’ es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/63
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/63>, abgerufen am 25.11.2024.