Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

an seinen Platz. Wir saßen eine Weile schweigend. "So ist er immer," sagte er dann; "der Grund ist gut; ich dacht' schon, daß er kommen würde."

"Und doch," erwiderte ich - ich konnte es nicht zurückhalten - "haben Sie ihn neulich recht hart behandelt, Capitän!"

Er blickte mich an: "Sie meinen das mit dem Armenhause! Ja, ja, es mag auch so aussehen; aber er mußt' einmal erfahren, wohin er ohne mich gerathen würde." Er trank einen Schluck und starrte vor sich hin. "Doch," hub er wieder an, "ich wollte Ihnen von meinem alten Rick erzählen; der Junge ist ja noch gar nicht auf der Welt."

Da fiel's mir bei, ich frug. "Ist er der Sohn von Ihrem Freunde? Ich mein', es war doch nur das Mädchen da?"

"Geduld, Nachbar," sagte der Capitän und legte seine Hand auf meinen Arm; "der Junge wird, leider, auch geboren werden; Ihr sollt Alles noch erfahren! Also - wie in den ersten Ehejahren von Rick Geyers der Seegang gewesen ist, das weiß ich nicht; denn ich war überall, nur nicht in Hamburg. Dann aber, in einem Junimonat, kam ich wieder heim und hörte, auch Rick sei dort, er habe Havarie gehabt; sein Schiff liege auf der Werfte, er selber

an seinen Platz. Wir saßen eine Weile schweigend. „So ist er immer,“ sagte er dann; „der Grund ist gut; ich dacht’ schon, daß er kommen würde.“

„Und doch,“ erwiderte ich – ich konnte es nicht zurückhalten – „haben Sie ihn neulich recht hart behandelt, Capitän!“

Er blickte mich an: „Sie meinen das mit dem Armenhause! Ja, ja, es mag auch so aussehen; aber er mußt’ einmal erfahren, wohin er ohne mich gerathen würde.“ Er trank einen Schluck und starrte vor sich hin. „Doch,“ hub er wieder an, „ich wollte Ihnen von meinem alten Rick erzählen; der Junge ist ja noch gar nicht auf der Welt.“

Da fiel’s mir bei, ich frug. „Ist er der Sohn von Ihrem Freunde? Ich mein’, es war doch nur das Mädchen da?“

„Geduld, Nachbar,“ sagte der Capitän und legte seine Hand auf meinen Arm; „der Junge wird, leider, auch geboren werden; Ihr sollt Alles noch erfahren! Also – wie in den ersten Ehejahren von Rick Geyers der Seegang gewesen ist, das weiß ich nicht; denn ich war überall, nur nicht in Hamburg. Dann aber, in einem Junimonat, kam ich wieder heim und hörte, auch Rick sei dort, er habe Havarie gehabt; sein Schiff liege auf der Werfte, er selber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="29"/>
an seinen Platz. Wir saßen eine Weile schweigend. &#x201E;So ist er immer,&#x201C; sagte er dann; &#x201E;der Grund ist gut; ich dacht&#x2019; schon, daß er kommen würde.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Und doch,&#x201C; erwiderte ich &#x2013; ich konnte es nicht zurückhalten &#x2013; &#x201E;haben Sie ihn neulich recht hart behandelt, Capitän!&#x201C;</p>
        <p>Er blickte mich an: &#x201E;Sie meinen das mit dem Armenhause! Ja, ja, es mag auch so aussehen; aber er mußt&#x2019; einmal erfahren, wohin er ohne mich gerathen würde.&#x201C; Er trank einen Schluck und starrte vor sich hin. &#x201E;Doch,&#x201C; hub er wieder an, &#x201E;ich wollte Ihnen von meinem <hi rendition="#g">alten</hi> Rick erzählen; der Junge ist ja noch gar nicht auf der Welt.&#x201C;</p>
        <p>Da fiel&#x2019;s mir bei, ich frug. &#x201E;Ist er der Sohn von Ihrem Freunde? Ich mein&#x2019;, es war doch nur das Mädchen da?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Geduld, Nachbar,&#x201C; sagte der Capitän und legte seine Hand auf meinen Arm; &#x201E;der Junge wird, leider, auch geboren werden; Ihr sollt Alles noch erfahren! Also &#x2013; wie in den ersten Ehejahren von Rick Geyers der Seegang gewesen ist, das weiß ich nicht; denn ich war überall, nur nicht in Hamburg. Dann aber, in einem Junimonat, kam ich wieder heim und hörte, auch Rick sei dort, er habe Havarie gehabt; sein Schiff liege auf der Werfte, er selber
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0033] an seinen Platz. Wir saßen eine Weile schweigend. „So ist er immer,“ sagte er dann; „der Grund ist gut; ich dacht’ schon, daß er kommen würde.“ „Und doch,“ erwiderte ich – ich konnte es nicht zurückhalten – „haben Sie ihn neulich recht hart behandelt, Capitän!“ Er blickte mich an: „Sie meinen das mit dem Armenhause! Ja, ja, es mag auch so aussehen; aber er mußt’ einmal erfahren, wohin er ohne mich gerathen würde.“ Er trank einen Schluck und starrte vor sich hin. „Doch,“ hub er wieder an, „ich wollte Ihnen von meinem alten Rick erzählen; der Junge ist ja noch gar nicht auf der Welt.“ Da fiel’s mir bei, ich frug. „Ist er der Sohn von Ihrem Freunde? Ich mein’, es war doch nur das Mädchen da?“ „Geduld, Nachbar,“ sagte der Capitän und legte seine Hand auf meinen Arm; „der Junge wird, leider, auch geboren werden; Ihr sollt Alles noch erfahren! Also – wie in den ersten Ehejahren von Rick Geyers der Seegang gewesen ist, das weiß ich nicht; denn ich war überall, nur nicht in Hamburg. Dann aber, in einem Junimonat, kam ich wieder heim und hörte, auch Rick sei dort, er habe Havarie gehabt; sein Schiff liege auf der Werfte, er selber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/33
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/33>, abgerufen am 24.11.2024.