Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Ich aber weiß noch sehr wohl, wie ich ihn um sein Glas beneidete, an dem der süße Mädchenmund geruht hatte. - - Wie eine Bilderreihe zog das Alles jetzt in mir vorüber; plötzlich aber stolperte ich, mein Stock flog mir aus der Hand und ich sammelte mich geduldig vom Erdboden auf; denn ich war mitten im Walde, der mir soeben seine dicken Buchenwurzeln vor die Füße gestreckt hatte. Langsam kehrte ich um und ging nach Hause; doch die Gedanken wollten mich nicht lassen. Das anmuthige Kind, von dem ich später nie wieder etwas gehört hatte, sie mochte jetzt etwa dreißig Jahre zählen, - was war aus ihr geworden? Es ließ mir doch keine Ruhe: wie kam der Capitän hierher? Was war das mit dem Jungen? Tages darauf ließ ich den Abend herankommen; es mochte schon neun Uhr sein, als ich vor dem rothen Hause stand. Alles war dunkel; aber eben vorher hatte ich von der Hinterseite aus einen Lichtschein auf den kahlen Gartenbüschen wahrgenommen. Ich drückte die Hausthür auf, an der keine Glocke läutete, und stand in einem dunklen Flur, in den Ich aber weiß noch sehr wohl, wie ich ihn um sein Glas beneidete, an dem der süße Mädchenmund geruht hatte. – – Wie eine Bilderreihe zog das Alles jetzt in mir vorüber; plötzlich aber stolperte ich, mein Stock flog mir aus der Hand und ich sammelte mich geduldig vom Erdboden auf; denn ich war mitten im Walde, der mir soeben seine dicken Buchenwurzeln vor die Füße gestreckt hatte. Langsam kehrte ich um und ging nach Hause; doch die Gedanken wollten mich nicht lassen. Das anmuthige Kind, von dem ich später nie wieder etwas gehört hatte, sie mochte jetzt etwa dreißig Jahre zählen, – was war aus ihr geworden? Es ließ mir doch keine Ruhe: wie kam der Capitän hierher? Was war das mit dem Jungen? Tages darauf ließ ich den Abend herankommen; es mochte schon neun Uhr sein, als ich vor dem rothen Hause stand. Alles war dunkel; aber eben vorher hatte ich von der Hinterseite aus einen Lichtschein auf den kahlen Gartenbüschen wahrgenommen. Ich drückte die Hausthür auf, an der keine Glocke läutete, und stand in einem dunklen Flur, in den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0023" n="19"/> <p>Ich aber weiß noch sehr wohl, wie ich ihn um sein Glas beneidete, an dem der süße Mädchenmund geruht hatte.</p> <p>– – Wie eine Bilderreihe zog das Alles jetzt in mir vorüber; plötzlich aber stolperte ich, mein Stock flog mir aus der Hand und ich sammelte mich geduldig vom Erdboden auf; denn ich war mitten im Walde, der mir soeben seine dicken Buchenwurzeln vor die Füße gestreckt hatte. Langsam kehrte ich um und ging nach Hause; doch die Gedanken wollten mich nicht lassen. Das anmuthige Kind, von dem ich später nie wieder etwas gehört hatte, sie mochte jetzt etwa dreißig Jahre zählen, – was war aus ihr geworden?</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es ließ mir doch keine Ruhe: wie kam der Capitän hierher? Was war das mit dem Jungen?</p> <p>Tages darauf ließ ich den Abend herankommen; es mochte schon neun Uhr sein, als ich vor dem rothen Hause stand. Alles war dunkel; aber eben vorher hatte ich von der Hinterseite aus einen Lichtschein auf den kahlen Gartenbüschen wahrgenommen. Ich drückte die Hausthür auf, an der keine Glocke läutete, und stand in einem dunklen Flur, in den </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0023]
Ich aber weiß noch sehr wohl, wie ich ihn um sein Glas beneidete, an dem der süße Mädchenmund geruht hatte.
– – Wie eine Bilderreihe zog das Alles jetzt in mir vorüber; plötzlich aber stolperte ich, mein Stock flog mir aus der Hand und ich sammelte mich geduldig vom Erdboden auf; denn ich war mitten im Walde, der mir soeben seine dicken Buchenwurzeln vor die Füße gestreckt hatte. Langsam kehrte ich um und ging nach Hause; doch die Gedanken wollten mich nicht lassen. Das anmuthige Kind, von dem ich später nie wieder etwas gehört hatte, sie mochte jetzt etwa dreißig Jahre zählen, – was war aus ihr geworden?
Es ließ mir doch keine Ruhe: wie kam der Capitän hierher? Was war das mit dem Jungen?
Tages darauf ließ ich den Abend herankommen; es mochte schon neun Uhr sein, als ich vor dem rothen Hause stand. Alles war dunkel; aber eben vorher hatte ich von der Hinterseite aus einen Lichtschein auf den kahlen Gartenbüschen wahrgenommen. Ich drückte die Hausthür auf, an der keine Glocke läutete, und stand in einem dunklen Flur, in den
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/23>, abgerufen am 27.07.2024. |