Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Dagmar! Da nimmt Dein Vater Dich mit hinaus, nach Wordingborg, nach Kopenhagen! Da kommen die jungen Erdensöhne und werden um einen Blick der keuschen Göttin werben; auch einer, wohl so schön als wie der junge Ritter Lembeck, der letzt auf Dorning eingezogen ist!" "Auf Dorning?" frug Dagmar achtlos. "Der Ritter Claus ist ja schon alt!" - "Ei, Kind! Sein Sohn, sein ältester! Und mit einem schönen, stolzen Weibe; gar einer Schauenburgerin!" "So? Einer Schauenburgerin?" - "Ei freilich; aber doch nur einer Wittib - ein Pfirsich, d'ran schon ein Todter seine Lippen setzte!" "Pfui, Bas'! Aber ich kenne sie ja nicht; was kümmern mich die fremden Menschen!" Dagmar war schon mit der Schelle an die Thür gegangen, kehrte aber zurück, ohne sie geöffnet zu haben. "Nein, Bas'," sagte sie mühsam; "mir ist das Herz bedrückt; ich muß ins Freie, in die Luft!" - "Ei, Kind, es wird ja Nacht, und Du weißt, der alte Joseph sagt, die Unholden schauen dann aus dem Boden!" "Nur in den Garten, Bas'; da giebt es keine!" Dagmar! Da nimmt Dein Vater Dich mit hinaus, nach Wordingborg, nach Kopenhagen! Da kommen die jungen Erdensöhne und werden um einen Blick der keuschen Göttin werben; auch einer, wohl so schön als wie der junge Ritter Lembeck, der letzt auf Dorning eingezogen ist!“ „Auf Dorning?“ frug Dagmar achtlos. „Der Ritter Claus ist ja schon alt!“ - „Ei, Kind! Sein Sohn, sein ältester! Und mit einem schönen, stolzen Weibe; gar einer Schauenburgerin!“ „So? Einer Schauenburgerin?“ - „Ei freilich; aber doch nur einer Wittib - ein Pfirsich, d’ran schon ein Todter seine Lippen setzte!“ „Pfui, Bas’! Aber ich kenne sie ja nicht; was kümmern mich die fremden Menschen!“ Dagmar war schon mit der Schelle an die Thür gegangen, kehrte aber zurück, ohne sie geöffnet zu haben. „Nein, Bas’,“ sagte sie mühsam; „mir ist das Herz bedrückt; ich muß ins Freie, in die Luft!“ - „Ei, Kind, es wird ja Nacht, und Du weißt, der alte Joseph sagt, die Unholden schauen dann aus dem Boden!“ „Nur in den Garten, Bas’; da giebt es keine!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="157"/> Dagmar! Da nimmt Dein Vater Dich mit hinaus, nach Wordingborg, nach Kopenhagen! Da kommen die jungen Erdensöhne und werden um einen Blick der keuschen Göttin werben; auch einer, wohl so schön als wie der junge Ritter Lembeck, der letzt auf Dorning eingezogen ist!“</p> <p>„Auf Dorning?“ frug Dagmar achtlos. „Der Ritter Claus ist ja schon alt!“</p> <p>- „Ei, Kind! Sein Sohn, sein ältester! Und mit einem schönen, stolzen Weibe; gar einer Schauenburgerin!“</p> <p>„So? Einer Schauenburgerin?“</p> <p>- „Ei freilich; aber doch nur einer Wittib - ein Pfirsich, d’ran schon ein Todter seine Lippen setzte!“</p> <p>„Pfui, Bas’! Aber ich kenne sie ja nicht; was kümmern mich die fremden Menschen!“</p> <p>Dagmar war schon mit der Schelle an die Thür gegangen, kehrte aber zurück, ohne sie geöffnet zu haben. „Nein, Bas’,“ sagte sie mühsam; „mir ist das Herz bedrückt; ich muß ins Freie, in die Luft!“</p> <p>- „Ei, Kind, es wird ja Nacht, und Du weißt, der alte Joseph sagt, die Unholden schauen dann aus dem Boden!“</p> <p>„Nur in den Garten, Bas’; da giebt es keine!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0161]
Dagmar! Da nimmt Dein Vater Dich mit hinaus, nach Wordingborg, nach Kopenhagen! Da kommen die jungen Erdensöhne und werden um einen Blick der keuschen Göttin werben; auch einer, wohl so schön als wie der junge Ritter Lembeck, der letzt auf Dorning eingezogen ist!“
„Auf Dorning?“ frug Dagmar achtlos. „Der Ritter Claus ist ja schon alt!“
- „Ei, Kind! Sein Sohn, sein ältester! Und mit einem schönen, stolzen Weibe; gar einer Schauenburgerin!“
„So? Einer Schauenburgerin?“
- „Ei freilich; aber doch nur einer Wittib - ein Pfirsich, d’ran schon ein Todter seine Lippen setzte!“
„Pfui, Bas’! Aber ich kenne sie ja nicht; was kümmern mich die fremden Menschen!“
Dagmar war schon mit der Schelle an die Thür gegangen, kehrte aber zurück, ohne sie geöffnet zu haben. „Nein, Bas’,“ sagte sie mühsam; „mir ist das Herz bedrückt; ich muß ins Freie, in die Luft!“
- „Ei, Kind, es wird ja Nacht, und Du weißt, der alte Joseph sagt, die Unholden schauen dann aus dem Boden!“
„Nur in den Garten, Bas’; da giebt es keine!“
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/161>, abgerufen am 16.02.2025. |