Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Lembeck aber flüsterte zu seinem Weibe. "Du wirst gefährlich, Wulfhild; Du willst alles, mich und meine Leute!"

Sie lächelte nur; doch als sie drinnen im Gemach den schönen Mann allein hatte, umschlang sie ihn mit ihren festen Armen: "Dich will ich, Dich, Rolf! Was kümmert mich das Andere!"

Der junge Eheherr sah ihr in die zärtlichen Augen, als ob er Räthsel lösen solle.

Im Hofe draußen war es allmählich leer geworden; nur Gaspard der Rabe, den die Herrin zurückgelassen hatte, saß noch unter der Linde auf der Steinbank, die um ihren Stamm herumlief. Sinnend saß er; er kannte seine Herrin: es war vom Blut des großen Gerhard in ihr; die Kunkel war ihr nicht genug. Mitunter fuhr ein dünnes Lachen durch seine schmalen Lippen; dann wie mißbilligend schüttelte er den Kopf. "Hüt Dich, Frau Wulfhild!" Leis, doch in scharfen Accenten rief er es gegen das Burgthor hin; "der Vogel ist noch nicht Dein eigen!"



Der Rabe hatte gekrächzt; ein Hauch des noch verborgenen Wetters mochte ihn gestreift haben; woher

Lembeck aber flüsterte zu seinem Weibe. „Du wirst gefährlich, Wulfhild; Du willst alles, mich und meine Leute!“

Sie lächelte nur; doch als sie drinnen im Gemach den schönen Mann allein hatte, umschlang sie ihn mit ihren festen Armen: „Dich will ich, Dich, Rolf! Was kümmert mich das Andere!“

Der junge Eheherr sah ihr in die zärtlichen Augen, als ob er Räthsel lösen solle.

Im Hofe draußen war es allmählich leer geworden; nur Gaspard der Rabe, den die Herrin zurückgelassen hatte, saß noch unter der Linde auf der Steinbank, die um ihren Stamm herumlief. Sinnend saß er; er kannte seine Herrin: es war vom Blut des großen Gerhard in ihr; die Kunkel war ihr nicht genug. Mitunter fuhr ein dünnes Lachen durch seine schmalen Lippen; dann wie mißbilligend schüttelte er den Kopf. „Hüt Dich, Frau Wulfhild!“ Leis, doch in scharfen Accenten rief er es gegen das Burgthor hin; „der Vogel ist noch nicht Dein eigen!“



Der Rabe hatte gekrächzt; ein Hauch des noch verborgenen Wetters mochte ihn gestreift haben; woher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="121"/>
Lembeck aber flüsterte zu seinem Weibe. &#x201E;Du wirst gefährlich, Wulfhild; Du willst alles, mich und meine Leute!&#x201C;</p>
        <p>Sie lächelte nur; doch als sie drinnen im Gemach den schönen Mann allein hatte, umschlang sie ihn mit ihren festen Armen: &#x201E;Dich will ich, Dich, Rolf! Was kümmert mich das Andere!&#x201C;</p>
        <p>Der junge Eheherr sah ihr in die zärtlichen Augen, als ob er Räthsel lösen solle.</p>
        <p>Im Hofe draußen war es allmählich leer geworden; nur Gaspard der Rabe, den die Herrin zurückgelassen hatte, saß noch unter der Linde auf der Steinbank, die um ihren Stamm herumlief. Sinnend saß er; er kannte seine Herrin: es war vom Blut des großen Gerhard in ihr; die Kunkel war ihr nicht genug. Mitunter fuhr ein dünnes Lachen durch seine schmalen Lippen; dann wie mißbilligend schüttelte er den Kopf. &#x201E;Hüt Dich, Frau Wulfhild!&#x201C; Leis, doch in scharfen Accenten rief er es gegen das Burgthor hin; &#x201E;der Vogel ist noch nicht Dein eigen!&#x201C;</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Der Rabe hatte gekrächzt; ein Hauch des noch verborgenen Wetters mochte ihn gestreift haben; woher
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0125] Lembeck aber flüsterte zu seinem Weibe. „Du wirst gefährlich, Wulfhild; Du willst alles, mich und meine Leute!“ Sie lächelte nur; doch als sie drinnen im Gemach den schönen Mann allein hatte, umschlang sie ihn mit ihren festen Armen: „Dich will ich, Dich, Rolf! Was kümmert mich das Andere!“ Der junge Eheherr sah ihr in die zärtlichen Augen, als ob er Räthsel lösen solle. Im Hofe draußen war es allmählich leer geworden; nur Gaspard der Rabe, den die Herrin zurückgelassen hatte, saß noch unter der Linde auf der Steinbank, die um ihren Stamm herumlief. Sinnend saß er; er kannte seine Herrin: es war vom Blut des großen Gerhard in ihr; die Kunkel war ihr nicht genug. Mitunter fuhr ein dünnes Lachen durch seine schmalen Lippen; dann wie mißbilligend schüttelte er den Kopf. „Hüt Dich, Frau Wulfhild!“ Leis, doch in scharfen Accenten rief er es gegen das Burgthor hin; „der Vogel ist noch nicht Dein eigen!“ Der Rabe hatte gekrächzt; ein Hauch des noch verborgenen Wetters mochte ihn gestreift haben; woher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/125
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/125>, abgerufen am 04.05.2024.