Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.saß. Sie hatte eines ihrer Kinder auf dem Arm, bei dessen Entstehung auch nicht die Grazien geholfen, dem sie aber doch mit mütterlichem Behagen das Näschen mit der Schürze schnäuzte. -- Die Frau stellte sich grade vor den Alten hin. Vater, sagte sie, 's ist nicht mehr zum Aushalten! Der Alte blieb ruhig sitzen, that einen Zug aus seiner Pfeife und fragte: Wo steckt's denn schon wieder einmal? Wo es steckt? rief das Weib; der Kerl ist alle Tage dick und voll! Sonst Nichts? meinte der Alte. Das haben wir schon allzeit gewußt. Macht keinen Spaß, Vater; das paßt sich nicht dazu! Ei was, rief der Bauer, indem er aufstand und ins Haus ging. Du mußt ihn eben schleißen; ich hab's dir vorher gesagt; 's hat Alles sein End' in der Welt! Ich fiel über diese Worte in einen Abgrund der Betrachtung. Wem denn, als mir selber, lag die Verpflichtung näher, meine eigene werthe Person zu schleißen? -- Freilich, wenn es vollbracht war, ich konnte keine Hufe dabei gewinnen; wenigstens keine irdische zu zehntausend Thalern Steuerwerth. Aber dennoch! -- Und am Ende, war denn das Körperchen wirklich so übel? Hatte es mir nicht schon einen wesentlichen Dienst geleistet? Ich dachte an die Prügel des armen Paul. Hätte mein Vater mich nicht unzweifelhaft zum Schiffs- saß. Sie hatte eines ihrer Kinder auf dem Arm, bei dessen Entstehung auch nicht die Grazien geholfen, dem sie aber doch mit mütterlichem Behagen das Näschen mit der Schürze schnäuzte. — Die Frau stellte sich grade vor den Alten hin. Vater, sagte sie, 's ist nicht mehr zum Aushalten! Der Alte blieb ruhig sitzen, that einen Zug aus seiner Pfeife und fragte: Wo steckt's denn schon wieder einmal? Wo es steckt? rief das Weib; der Kerl ist alle Tage dick und voll! Sonst Nichts? meinte der Alte. Das haben wir schon allzeit gewußt. Macht keinen Spaß, Vater; das paßt sich nicht dazu! Ei was, rief der Bauer, indem er aufstand und ins Haus ging. Du mußt ihn eben schleißen; ich hab's dir vorher gesagt; 's hat Alles sein End' in der Welt! Ich fiel über diese Worte in einen Abgrund der Betrachtung. Wem denn, als mir selber, lag die Verpflichtung näher, meine eigene werthe Person zu schleißen? — Freilich, wenn es vollbracht war, ich konnte keine Hufe dabei gewinnen; wenigstens keine irdische zu zehntausend Thalern Steuerwerth. Aber dennoch! — Und am Ende, war denn das Körperchen wirklich so übel? Hatte es mir nicht schon einen wesentlichen Dienst geleistet? Ich dachte an die Prügel des armen Paul. Hätte mein Vater mich nicht unzweifelhaft zum Schiffs- <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0049"/> saß. Sie hatte eines ihrer Kinder auf dem Arm, bei dessen Entstehung auch nicht die Grazien geholfen, dem sie aber doch mit mütterlichem Behagen das Näschen mit der Schürze schnäuzte. — Die Frau stellte sich grade vor den Alten hin. Vater, sagte sie, 's ist nicht mehr zum Aushalten!</p><lb/> <p>Der Alte blieb ruhig sitzen, that einen Zug aus seiner Pfeife und fragte: Wo steckt's denn schon wieder einmal?</p><lb/> <p>Wo es steckt? rief das Weib; der Kerl ist alle Tage dick und voll!</p><lb/> <p>Sonst Nichts? meinte der Alte. Das haben wir schon allzeit gewußt.</p><lb/> <p>Macht keinen Spaß, Vater; das paßt sich nicht dazu!</p><lb/> <p>Ei was, rief der Bauer, indem er aufstand und ins Haus ging. Du mußt ihn eben schleißen; ich hab's dir vorher gesagt; 's hat Alles sein End' in der Welt!</p><lb/> <p>Ich fiel über diese Worte in einen Abgrund der Betrachtung. Wem denn, als mir selber, lag die Verpflichtung näher, meine eigene werthe Person zu schleißen? — Freilich, wenn es vollbracht war, ich konnte keine Hufe dabei gewinnen; wenigstens keine irdische zu zehntausend Thalern Steuerwerth. Aber dennoch! — Und am Ende, war denn das Körperchen wirklich so übel? Hatte es mir nicht schon einen wesentlichen Dienst geleistet? Ich dachte an die Prügel des armen Paul. Hätte mein Vater mich nicht unzweifelhaft zum Schiffs-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
saß. Sie hatte eines ihrer Kinder auf dem Arm, bei dessen Entstehung auch nicht die Grazien geholfen, dem sie aber doch mit mütterlichem Behagen das Näschen mit der Schürze schnäuzte. — Die Frau stellte sich grade vor den Alten hin. Vater, sagte sie, 's ist nicht mehr zum Aushalten!
Der Alte blieb ruhig sitzen, that einen Zug aus seiner Pfeife und fragte: Wo steckt's denn schon wieder einmal?
Wo es steckt? rief das Weib; der Kerl ist alle Tage dick und voll!
Sonst Nichts? meinte der Alte. Das haben wir schon allzeit gewußt.
Macht keinen Spaß, Vater; das paßt sich nicht dazu!
Ei was, rief der Bauer, indem er aufstand und ins Haus ging. Du mußt ihn eben schleißen; ich hab's dir vorher gesagt; 's hat Alles sein End' in der Welt!
Ich fiel über diese Worte in einen Abgrund der Betrachtung. Wem denn, als mir selber, lag die Verpflichtung näher, meine eigene werthe Person zu schleißen? — Freilich, wenn es vollbracht war, ich konnte keine Hufe dabei gewinnen; wenigstens keine irdische zu zehntausend Thalern Steuerwerth. Aber dennoch! — Und am Ende, war denn das Körperchen wirklich so übel? Hatte es mir nicht schon einen wesentlichen Dienst geleistet? Ich dachte an die Prügel des armen Paul. Hätte mein Vater mich nicht unzweifelhaft zum Schiffs-
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/49>, abgerufen am 16.02.2025. |