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Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

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wandte sie sich langsam ab und verschwand in die
dunkeln Seitengänge. Er konnte das nicht reimen;
er war aber fast zornig auf Elisabeth, und dennoch
zweifelte er, ob sie es gewesen sei; aber er scheute sich
sie danach zu fragen; ja, er ging bei seiner Rückkehr
nicht in den Gartensaal, nur um Elisabeth nicht etwa
durch die Gartenthür hereintreten zu sehen.

Meine Mutter hat's gewollt.

Einige Tage nachher, es ging schon gegen Abend,
saß die Familie, wie gewöhnlich um diese Zeit, im
Gartensaal zusammen. Die Thüren standen offen; die
Sonne war schon hinter den Wäldern jenseit des Sees.

Reinhardt wurde um die Mittheilung einiger Volks¬
lieder gebeten, welche er am Nachmittage von einem
auf dem Lande wohnenden Freunde geschickt bekommen
hatte. Er ging auf sein Zimmer, und kam gleich dar¬
auf mit einer Papierrolle zurück, welche aus einzelnen
sauber geschriebenen Blättern zu bestehen schien.

Man setzte sich an den Tisch, Elisabeth an Rein¬
hardts Seite. Wir lesen auf gut Glück; sagte er, ich
habe sie selber noch nicht durchgesehen.

wandte ſie ſich langſam ab und verſchwand in die
dunkeln Seitengänge. Er konnte das nicht reimen;
er war aber faſt zornig auf Eliſabeth, und dennoch
zweifelte er, ob ſie es geweſen ſei; aber er ſcheute ſich
ſie danach zu fragen; ja, er ging bei ſeiner Rückkehr
nicht in den Gartenſaal, nur um Eliſabeth nicht etwa
durch die Gartenthür hereintreten zu ſehen.

Meine Mutter hat's gewollt.

Einige Tage nachher, es ging ſchon gegen Abend,
ſaß die Familie, wie gewöhnlich um dieſe Zeit, im
Gartenſaal zuſammen. Die Thüren ſtanden offen; die
Sonne war ſchon hinter den Wäldern jenſeit des Sees.

Reinhardt wurde um die Mittheilung einiger Volks¬
lieder gebeten, welche er am Nachmittage von einem
auf dem Lande wohnenden Freunde geſchickt bekommen
hatte. Er ging auf ſein Zimmer, und kam gleich dar¬
auf mit einer Papierrolle zurück, welche aus einzelnen
ſauber geſchriebenen Blättern zu beſtehen ſchien.

Man ſetzte ſich an den Tiſch, Eliſabeth an Rein¬
hardts Seite. Wir leſen auf gut Glück; ſagte er, ich
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[47/0053] wandte ſie ſich langſam ab und verſchwand in die dunkeln Seitengänge. Er konnte das nicht reimen; er war aber faſt zornig auf Eliſabeth, und dennoch zweifelte er, ob ſie es geweſen ſei; aber er ſcheute ſich ſie danach zu fragen; ja, er ging bei ſeiner Rückkehr nicht in den Gartenſaal, nur um Eliſabeth nicht etwa durch die Gartenthür hereintreten zu ſehen. Meine Mutter hat's gewollt. Einige Tage nachher, es ging ſchon gegen Abend, ſaß die Familie, wie gewöhnlich um dieſe Zeit, im Gartenſaal zuſammen. Die Thüren ſtanden offen; die Sonne war ſchon hinter den Wäldern jenſeit des Sees. Reinhardt wurde um die Mittheilung einiger Volks¬ lieder gebeten, welche er am Nachmittage von einem auf dem Lande wohnenden Freunde geſchickt bekommen hatte. Er ging auf ſein Zimmer, und kam gleich dar¬ auf mit einer Papierrolle zurück, welche aus einzelnen ſauber geſchriebenen Blättern zu beſtehen ſchien. Man ſetzte ſich an den Tiſch, Eliſabeth an Rein¬ hardts Seite. Wir leſen auf gut Glück; ſagte er, ich habe ſie ſelber noch nicht durchgeſehen.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/53>, abgerufen am 23.11.2024.