Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Landpartie nach einer der nahgelegenen Holzungen
in größerer Gesellschaft veranstaltet. Der stunden¬
lange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu
Wagen zurückgelegt; dann nahm man die Proviant¬
körbe herunter und marschirte weiter. Ein Tannen¬
gehölz mußte zuerst durchwandert werden; es war
kühl und dämmerig und der Boden überall mit seinen
Nadeln bestreut. Nach halbstündigem Wandern kam
man aus dem Tannendunkel in eine frische Buchen¬
waldung; hier war alles licht und grün, mit¬
unter brach ein Sonnenstrahl durch die blätterreichen
Zweige; ein Eichkätzchen sprang über ihren Köpfen
von Ast zu Ast. -- Auf einem Platze, über welchem
uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem durch¬
sichtigen Laubgewölbe zusammenwuchsen, machte die
Gesellschaft Halt. Elisabeths Mutter öffnete einen
der Körbe; ein alter Herr warf sich zum Proviant¬
meister auf. Alle um mich herum, ihr jungen Vögel!
rief er, und merket genau, was ich euch zu sagen habe.
Zum Frühstück erhält jetzt ein Jeder von euch zwei
trockene Wecken; die Butter ist zu Hause geblieben,
die Zukost muß sich ein Jeder selber suchen. Es stehen
genug Erdbeeren im Walde, das heißt, für den, der

Landpartie nach einer der nahgelegenen Holzungen
in größerer Geſellſchaft veranſtaltet. Der ſtunden¬
lange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu
Wagen zurückgelegt; dann nahm man die Proviant¬
körbe herunter und marſchirte weiter. Ein Tannen¬
gehölz mußte zuerſt durchwandert werden; es war
kühl und dämmerig und der Boden überall mit ſeinen
Nadeln beſtreut. Nach halbſtündigem Wandern kam
man aus dem Tannendunkel in eine friſche Buchen¬
waldung; hier war alles licht und grün, mit¬
unter brach ein Sonnenſtrahl durch die blätterreichen
Zweige; ein Eichkätzchen ſprang über ihren Köpfen
von Aſt zu Aſt. — Auf einem Platze, über welchem
uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem durch¬
ſichtigen Laubgewölbe zuſammenwuchſen, machte die
Geſellſchaft Halt. Eliſabeths Mutter öffnete einen
der Körbe; ein alter Herr warf ſich zum Proviant¬
meiſter auf. Alle um mich herum, ihr jungen Vögel!
rief er, und merket genau, was ich euch zu ſagen habe.
Zum Frühſtück erhält jetzt ein Jeder von euch zwei
trockene Wecken; die Butter iſt zu Hauſe geblieben,
die Zukoſt muß ſich ein Jeder ſelber ſuchen. Es ſtehen
genug Erdbeeren im Walde, das heißt, für den, der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="14"/>
Landpartie nach einer der <choice><sic>nahbelegenen</sic><corr>nahgelegenen</corr></choice> Holzungen<lb/>
in größerer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft veran&#x017F;taltet. Der &#x017F;tunden¬<lb/>
lange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu<lb/>
Wagen zurückgelegt; dann nahm man die Proviant¬<lb/>
körbe herunter und mar&#x017F;chirte weiter. Ein Tannen¬<lb/>
gehölz mußte zuer&#x017F;t durchwandert werden; es war<lb/>
kühl und dämmerig und der Boden überall mit &#x017F;einen<lb/>
Nadeln be&#x017F;treut. Nach halb&#x017F;tündigem Wandern kam<lb/>
man aus dem Tannendunkel in eine fri&#x017F;che Buchen¬<lb/>
waldung; hier war alles licht und grün, mit¬<lb/>
unter brach ein Sonnen&#x017F;trahl durch die blätterreichen<lb/>
Zweige; ein Eichkätzchen &#x017F;prang über ihren Köpfen<lb/>
von A&#x017F;t zu A&#x017F;t. &#x2014; Auf einem Platze, über welchem<lb/>
uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem durch¬<lb/>
&#x017F;ichtigen Laubgewölbe zu&#x017F;ammenwuch&#x017F;en, machte die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft Halt. Eli&#x017F;abeths Mutter öffnete einen<lb/>
der Körbe; ein alter Herr warf &#x017F;ich zum Proviant¬<lb/>
mei&#x017F;ter auf. Alle um mich herum, ihr jungen Vögel!<lb/>
rief er, und merket genau, was ich euch zu &#x017F;agen habe.<lb/>
Zum Früh&#x017F;tück erhält jetzt ein Jeder von euch zwei<lb/>
trockene Wecken; die Butter i&#x017F;t zu Hau&#x017F;e geblieben,<lb/>
die Zuko&#x017F;t muß &#x017F;ich ein Jeder &#x017F;elber &#x017F;uchen. Es &#x017F;tehen<lb/>
genug Erdbeeren im Walde, das heißt, für den, der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0020] Landpartie nach einer der nahgelegenen Holzungen in größerer Geſellſchaft veranſtaltet. Der ſtunden¬ lange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu Wagen zurückgelegt; dann nahm man die Proviant¬ körbe herunter und marſchirte weiter. Ein Tannen¬ gehölz mußte zuerſt durchwandert werden; es war kühl und dämmerig und der Boden überall mit ſeinen Nadeln beſtreut. Nach halbſtündigem Wandern kam man aus dem Tannendunkel in eine friſche Buchen¬ waldung; hier war alles licht und grün, mit¬ unter brach ein Sonnenſtrahl durch die blätterreichen Zweige; ein Eichkätzchen ſprang über ihren Köpfen von Aſt zu Aſt. — Auf einem Platze, über welchem uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem durch¬ ſichtigen Laubgewölbe zuſammenwuchſen, machte die Geſellſchaft Halt. Eliſabeths Mutter öffnete einen der Körbe; ein alter Herr warf ſich zum Proviant¬ meiſter auf. Alle um mich herum, ihr jungen Vögel! rief er, und merket genau, was ich euch zu ſagen habe. Zum Frühſtück erhält jetzt ein Jeder von euch zwei trockene Wecken; die Butter iſt zu Hauſe geblieben, die Zukoſt muß ſich ein Jeder ſelber ſuchen. Es ſtehen genug Erdbeeren im Walde, das heißt, für den, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Theodor Storms Novelle "Immensee" erschien zuerst… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/20
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/20>, abgerufen am 26.04.2024.