Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Und niederschauend von des Todes Warte Kam mir der Drang, das Leben zu bestehn, Die Lust, dem Feind, der unten meiner harrte, Mit vollem Aug' in's Angesicht zu sehn. Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen Fühlt' ich die Kraft, entgegen Lust und Schmerz Vom Leben fest mich selber zu gewinnen, Wenn Andres nicht, so doch ein ganzes Herz. -- Da fühlt' ich mich im Sonnenlicht erwachen; Es dämmerte, verschwebte und zerrann; In meine Ohren klang der Kinder Lachen, Und frische, blaue Augen sahn mich an. O schöne Welt! So sei in ernstem Zeichen
Begonnen denn der neue Lebenstag! Es wird die Stirn nicht allzusehr erbleichen, Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag. Und niederſchauend von des Todes Warte Kam mir der Drang, das Leben zu beſtehn, Die Luſt, dem Feind, der unten meiner harrte, Mit vollem Aug' in's Angeſicht zu ſehn. Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen Fühlt' ich die Kraft, entgegen Luſt und Schmerz Vom Leben feſt mich ſelber zu gewinnen, Wenn Andres nicht, ſo doch ein ganzes Herz. — Da fühlt' ich mich im Sonnenlicht erwachen; Es dämmerte, verſchwebte und zerrann; In meine Ohren klang der Kinder Lachen, Und friſche, blaue Augen ſahn mich an. O ſchöne Welt! So ſei in ernſtem Zeichen
Begonnen denn der neue Lebenstag! Es wird die Stirn nicht allzuſehr erbleichen, Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0168" n="158"/> <lg n="11"> <l>Und niederſchauend von des Todes Warte</l><lb/> <l>Kam mir der Drang, das Leben zu beſtehn,</l><lb/> <l>Die Luſt, dem Feind, der unten meiner harrte,</l><lb/> <l>Mit vollem Aug' in's Angeſicht zu ſehn.</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen</l><lb/> <l>Fühlt' ich die Kraft, entgegen Luſt und Schmerz</l><lb/> <l>Vom Leben feſt mich ſelber zu gewinnen,</l><lb/> <l>Wenn Andres nicht, ſo doch ein ganzes Herz. —</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>Da fühlt' ich mich im Sonnenlicht erwachen;</l><lb/> <l>Es dämmerte, verſchwebte und zerrann;</l><lb/> <l>In meine Ohren klang der Kinder Lachen,</l><lb/> <l>Und friſche, blaue Augen ſahn mich an.</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>O ſchöne Welt! So ſei in ernſtem Zeichen</l><lb/> <l>Begonnen denn der neue Lebenstag!</l><lb/> <l>Es wird die Stirn nicht allzuſehr erbleichen,</l><lb/> <l>Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0168]
Und niederſchauend von des Todes Warte
Kam mir der Drang, das Leben zu beſtehn,
Die Luſt, dem Feind, der unten meiner harrte,
Mit vollem Aug' in's Angeſicht zu ſehn.
Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen
Fühlt' ich die Kraft, entgegen Luſt und Schmerz
Vom Leben feſt mich ſelber zu gewinnen,
Wenn Andres nicht, ſo doch ein ganzes Herz. —
Da fühlt' ich mich im Sonnenlicht erwachen;
Es dämmerte, verſchwebte und zerrann;
In meine Ohren klang der Kinder Lachen,
Und friſche, blaue Augen ſahn mich an.
O ſchöne Welt! So ſei in ernſtem Zeichen
Begonnen denn der neue Lebenstag!
Es wird die Stirn nicht allzuſehr erbleichen,
Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag.
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/168>, abgerufen am 08.07.2024. |