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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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waren es andre Menschen, als früher, nachdenkliche Leute, pensionirte Schullehrer, auch wohl alte Großmütter, die manchmal vor der kleinen Kathe ihren Schritt hemmten und mit einem Ausdruck von zärtlichem Beifall auf das eifrige Kind dort auf der Hausthürschwelle sahen, das, ohne aufzublicken, unachtend der braunen Löckchen, die von der Stirn ihm in die Augen hingen, den Kopf über eine Fibel neigte und alles um sich her vergessend, den kleinen Zeigefinger von einem Wort zum andern rückte, sobald das Mündlein die schwarzen Druckzeichen in den hellen Sprachlaut umgesetzt hatten.

Wenn aber am Feierabend der Vater da war, wenn sie mit aller Wichtigkeit ihm erst gezeigt hatte, wie weit sie heute auf der Tafel oder im Fibelbuch gekommen sei, und wenn sie dann miteinander ihr kleines Mahl verzehrt hatten, so ging er wohl noch einmal mit ihr hinaus unter den Sternenhimmel, auf die Straßen, oder war es dort zu laut noch, in das Gärtchen und weiter in die Wege, die in das Feld hinausliefen. Dann hob er oft sein Kind auf beide Arme, und was er Tags erfahren hatte,

waren es andre Menschen, als früher, nachdenkliche Leute, pensionirte Schullehrer, auch wohl alte Großmütter, die manchmal vor der kleinen Kathe ihren Schritt hemmten und mit einem Ausdruck von zärtlichem Beifall auf das eifrige Kind dort auf der Hausthürschwelle sahen, das, ohne aufzublicken, unachtend der braunen Löckchen, die von der Stirn ihm in die Augen hingen, den Kopf über eine Fibel neigte und alles um sich her vergessend, den kleinen Zeigefinger von einem Wort zum andern rückte, sobald das Mündlein die schwarzen Druckzeichen in den hellen Sprachlaut umgesetzt hatten.

Wenn aber am Feierabend der Vater da war, wenn sie mit aller Wichtigkeit ihm erst gezeigt hatte, wie weit sie heute auf der Tafel oder im Fibelbuch gekommen sei, und wenn sie dann miteinander ihr kleines Mahl verzehrt hatten, so ging er wohl noch einmal mit ihr hinaus unter den Sternenhimmel, auf die Straßen, oder war es dort zu laut noch, in das Gärtchen und weiter in die Wege, die in das Feld hinausliefen. Dann hob er oft sein Kind auf beide Arme, und was er Tags erfahren hatte,

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[91/0091] waren es andre Menschen, als früher, nachdenkliche Leute, pensionirte Schullehrer, auch wohl alte Großmütter, die manchmal vor der kleinen Kathe ihren Schritt hemmten und mit einem Ausdruck von zärtlichem Beifall auf das eifrige Kind dort auf der Hausthürschwelle sahen, das, ohne aufzublicken, unachtend der braunen Löckchen, die von der Stirn ihm in die Augen hingen, den Kopf über eine Fibel neigte und alles um sich her vergessend, den kleinen Zeigefinger von einem Wort zum andern rückte, sobald das Mündlein die schwarzen Druckzeichen in den hellen Sprachlaut umgesetzt hatten. Wenn aber am Feierabend der Vater da war, wenn sie mit aller Wichtigkeit ihm erst gezeigt hatte, wie weit sie heute auf der Tafel oder im Fibelbuch gekommen sei, und wenn sie dann miteinander ihr kleines Mahl verzehrt hatten, so ging er wohl noch einmal mit ihr hinaus unter den Sternenhimmel, auf die Straßen, oder war es dort zu laut noch, in das Gärtchen und weiter in die Wege, die in das Feld hinausliefen. Dann hob er oft sein Kind auf beide Arme, und was er Tags erfahren hatte,

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/91>, abgerufen am 10.05.2024.