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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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Diese Meinungen wurden in einer Tischgesellschaft gegen einander abgewogen. "Nun, und Sie, Herr Bürgermeister", sagte zu diesem die alte Schwägerin des einstigen Cichorienfabrikanten, die er zu Tische geführt hatte, "was meinen Sie dazu?"

Der Bürgermeister, der bisher kein Wort dazu geredet hatte, nahm erst bedächtig eine Prise. "Hm", sagte er, "was soll ich meinen? - Nachdem dieser John von Rechtes wegen seine Strafe abgebüßt hatte, wurde er, wie gebräuchlich, der lieben Mitwelt zur Hetzjagd überlassen. Und sie hat ihn nun auch zu Tode gehetzt; denn sie ist ohn' Erbarmen. Was ist davon zu sagen? Wenn ich was meinen soll, so solltet Ihr ihn jetzt in Ruhe lassen, denn er gehört nun einem andern Richter."

"Wahrhaftig", sagte die Alte ganz erstaunt, "Sie haben noch immer Ihre sonderbaren Meinungen von diesem John Glückstadt!"

"John Hansen", berichtigte der Bürgermeister ernsthaft.



Diese Meinungen wurden in einer Tischgesellschaft gegen einander abgewogen. „Nun, und Sie, Herr Bürgermeister“, sagte zu diesem die alte Schwägerin des einstigen Cichorienfabrikanten, die er zu Tische geführt hatte, „was meinen Sie dazu?“

Der Bürgermeister, der bisher kein Wort dazu geredet hatte, nahm erst bedächtig eine Prise. „Hm“, sagte er, „was soll ich meinen? – Nachdem dieser John von Rechtes wegen seine Strafe abgebüßt hatte, wurde er, wie gebräuchlich, der lieben Mitwelt zur Hetzjagd überlassen. Und sie hat ihn nun auch zu Tode gehetzt; denn sie ist ohn’ Erbarmen. Was ist davon zu sagen? Wenn ich was meinen soll, so solltet Ihr ihn jetzt in Ruhe lassen, denn er gehört nun einem andern Richter.“

„Wahrhaftig“, sagte die Alte ganz erstaunt, „Sie haben noch immer Ihre sonderbaren Meinungen von diesem John Glückstadt!“

„John Hansen“, berichtigte der Bürgermeister ernsthaft.



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[115/0115] Diese Meinungen wurden in einer Tischgesellschaft gegen einander abgewogen. „Nun, und Sie, Herr Bürgermeister“, sagte zu diesem die alte Schwägerin des einstigen Cichorienfabrikanten, die er zu Tische geführt hatte, „was meinen Sie dazu?“ Der Bürgermeister, der bisher kein Wort dazu geredet hatte, nahm erst bedächtig eine Prise. „Hm“, sagte er, „was soll ich meinen? – Nachdem dieser John von Rechtes wegen seine Strafe abgebüßt hatte, wurde er, wie gebräuchlich, der lieben Mitwelt zur Hetzjagd überlassen. Und sie hat ihn nun auch zu Tode gehetzt; denn sie ist ohn’ Erbarmen. Was ist davon zu sagen? Wenn ich was meinen soll, so solltet Ihr ihn jetzt in Ruhe lassen, denn er gehört nun einem andern Richter.“ „Wahrhaftig“, sagte die Alte ganz erstaunt, „Sie haben noch immer Ihre sonderbaren Meinungen von diesem John Glückstadt!“ „John Hansen“, berichtigte der Bürgermeister ernsthaft.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/115>, abgerufen am 24.11.2024.