Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

geschmiedet hätten; und obwohl Wenzel schon am folgenden Tage wieder entlassen war und dann von Behörde zu Behörde gewiesen und hier niemals wiedergesehen wurde, so hatte er doch für John des Teufels Spur zurückgelassen. Dieser hatte gehofft, die Arbeit in dem großen Garten drunten in der Stadt den ganzen Sommer, ja gar für künftige Jahre behalten zu können, denn der Besitzer hatte ihm wiederholt die Sauberkeit und Raschheit seiner Arbeit gelobt; jetzt aber kam die Botschaft von demselben, John brauche nicht wieder zu kommen. Bei Anfragen in andern Häusern erhielt er trockenen Abschlag; mit Mühe bekam er endlich in einem nahgelegenen Dorfe eine schlecht bezahlte Feldarbeit; aber auch die ging bald zu Ende. Sein Muth sank, seines Kindes Antlitz drückte ihn noch tiefer, das Elend war schon halb in seiner Kathe; nur der Kleinen wußte die kluge Alte unter immer neuen Vorwänden ein Theilchen von ihren Suppengängen zukommen zu lassen.

So war das Ende des August herangekommen und ein Abend, wo für den andern Tag kein Mundvoll mehr im Hause war. Er saß am Bette seines

geschmiedet hätten; und obwohl Wenzel schon am folgenden Tage wieder entlassen war und dann von Behörde zu Behörde gewiesen und hier niemals wiedergesehen wurde, so hatte er doch für John des Teufels Spur zurückgelassen. Dieser hatte gehofft, die Arbeit in dem großen Garten drunten in der Stadt den ganzen Sommer, ja gar für künftige Jahre behalten zu können, denn der Besitzer hatte ihm wiederholt die Sauberkeit und Raschheit seiner Arbeit gelobt; jetzt aber kam die Botschaft von demselben, John brauche nicht wieder zu kommen. Bei Anfragen in andern Häusern erhielt er trockenen Abschlag; mit Mühe bekam er endlich in einem nahgelegenen Dorfe eine schlecht bezahlte Feldarbeit; aber auch die ging bald zu Ende. Sein Muth sank, seines Kindes Antlitz drückte ihn noch tiefer, das Elend war schon halb in seiner Kathe; nur der Kleinen wußte die kluge Alte unter immer neuen Vorwänden ein Theilchen von ihren Suppengängen zukommen zu lassen.

So war das Ende des August herangekommen und ein Abend, wo für den andern Tag kein Mundvoll mehr im Hause war. Er saß am Bette seines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="106"/>
geschmiedet hätten; und obwohl Wenzel schon am folgenden Tage wieder entlassen war und dann von Behörde zu Behörde gewiesen und hier niemals wiedergesehen wurde, so hatte er doch für John des Teufels Spur zurückgelassen. Dieser hatte gehofft, die Arbeit in dem großen Garten drunten in der Stadt den ganzen Sommer, ja gar für künftige Jahre behalten zu können, denn der Besitzer hatte ihm wiederholt die Sauberkeit und Raschheit seiner Arbeit gelobt; jetzt aber kam die Botschaft von demselben, John brauche nicht wieder zu kommen. Bei Anfragen in andern Häusern erhielt er trockenen Abschlag; mit Mühe bekam er endlich in einem <choice><sic>nahbelegenen</sic><corr>nahgelegenen</corr></choice> Dorfe eine schlecht bezahlte Feldarbeit; aber auch die ging bald zu Ende. Sein Muth sank, seines Kindes Antlitz drückte ihn noch tiefer, das Elend war schon halb in seiner Kathe; nur der Kleinen wußte die kluge Alte unter immer neuen Vorwänden ein Theilchen von ihren Suppengängen zukommen zu lassen.</p>
        <p>So war das Ende des August herangekommen und ein Abend, wo für den andern Tag kein Mundvoll mehr im Hause war. Er saß am Bette seines
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0106] geschmiedet hätten; und obwohl Wenzel schon am folgenden Tage wieder entlassen war und dann von Behörde zu Behörde gewiesen und hier niemals wiedergesehen wurde, so hatte er doch für John des Teufels Spur zurückgelassen. Dieser hatte gehofft, die Arbeit in dem großen Garten drunten in der Stadt den ganzen Sommer, ja gar für künftige Jahre behalten zu können, denn der Besitzer hatte ihm wiederholt die Sauberkeit und Raschheit seiner Arbeit gelobt; jetzt aber kam die Botschaft von demselben, John brauche nicht wieder zu kommen. Bei Anfragen in andern Häusern erhielt er trockenen Abschlag; mit Mühe bekam er endlich in einem nahgelegenen Dorfe eine schlecht bezahlte Feldarbeit; aber auch die ging bald zu Ende. Sein Muth sank, seines Kindes Antlitz drückte ihn noch tiefer, das Elend war schon halb in seiner Kathe; nur der Kleinen wußte die kluge Alte unter immer neuen Vorwänden ein Theilchen von ihren Suppengängen zukommen zu lassen. So war das Ende des August herangekommen und ein Abend, wo für den andern Tag kein Mundvoll mehr im Hause war. Er saß am Bette seines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-15T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/106
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/106>, abgerufen am 10.05.2024.