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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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Der schwache Züchtling mochte den Grimm des Mannes fürchten; er zog grinsend seine alte Mütze: "Auf Wiedersehn, Herr John! Du bist heut just nicht höflich gegen einen alten Kameraden!" Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ging nach links unter den Rathhaus-Schwibbögen zur Stadt hinaus. In furchtbarer Bewegung setzte John seinen Weg fort; ihm war, als wäre Alles in ihm eingestürzt. Einige Häuser vor dem seinen kam ihm das Kind entgegen und hing sich an seinen Arm. "Du sprichst ja gar nicht, Vater? Fehlt Dir was?" sagte sie nach einigen Schritten.

Er schüttelte den Kopf: "Ja, Kind; wenn nur, was einmal da gewesen, nicht immer wieder zu uns kommen wollte!"

Die Kleine sah zärtlich, voll unverstandenen Mitleids zu ihm auf. "Kann denn der liebe Gott nicht helfen?" sprach sie zaghaft.

"Ich weiß nicht, Stine; aber wir wollen zu ihm beten!"

- - Am folgenden Tage hatte John den Gefürchteten nicht gesehen; er war auch nicht durch die Stadt, er war hinter derselben an den Gärten

Der schwache Züchtling mochte den Grimm des Mannes fürchten; er zog grinsend seine alte Mütze: „Auf Wiedersehn, Herr John! Du bist heut just nicht höflich gegen einen alten Kameraden!“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ging nach links unter den Rathhaus-Schwibbögen zur Stadt hinaus. In furchtbarer Bewegung setzte John seinen Weg fort; ihm war, als wäre Alles in ihm eingestürzt. Einige Häuser vor dem seinen kam ihm das Kind entgegen und hing sich an seinen Arm. „Du sprichst ja gar nicht, Vater? Fehlt Dir was?“ sagte sie nach einigen Schritten.

Er schüttelte den Kopf: „Ja, Kind; wenn nur, was einmal da gewesen, nicht immer wieder zu uns kommen wollte!“

Die Kleine sah zärtlich, voll unverstandenen Mitleids zu ihm auf. „Kann denn der liebe Gott nicht helfen?“ sprach sie zaghaft.

„Ich weiß nicht, Stine; aber wir wollen zu ihm beten!“

– – Am folgenden Tage hatte John den Gefürchteten nicht gesehen; er war auch nicht durch die Stadt, er war hinter derselben an den Gärten

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[102/0102] Der schwache Züchtling mochte den Grimm des Mannes fürchten; er zog grinsend seine alte Mütze: „Auf Wiedersehn, Herr John! Du bist heut just nicht höflich gegen einen alten Kameraden!“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ging nach links unter den Rathhaus-Schwibbögen zur Stadt hinaus. In furchtbarer Bewegung setzte John seinen Weg fort; ihm war, als wäre Alles in ihm eingestürzt. Einige Häuser vor dem seinen kam ihm das Kind entgegen und hing sich an seinen Arm. „Du sprichst ja gar nicht, Vater? Fehlt Dir was?“ sagte sie nach einigen Schritten. Er schüttelte den Kopf: „Ja, Kind; wenn nur, was einmal da gewesen, nicht immer wieder zu uns kommen wollte!“ Die Kleine sah zärtlich, voll unverstandenen Mitleids zu ihm auf. „Kann denn der liebe Gott nicht helfen?“ sprach sie zaghaft. „Ich weiß nicht, Stine; aber wir wollen zu ihm beten!“ – – Am folgenden Tage hatte John den Gefürchteten nicht gesehen; er war auch nicht durch die Stadt, er war hinter derselben an den Gärten

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/102>, abgerufen am 09.05.2024.