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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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doch so?" - Wie eine unheimliche Erinnerung überkam es ihn; aber er konnte sich nicht entsinnen; ihm war nur, als sei ihm Unheil aus den Fersen. Er sah nicht um; aber er ging jetzt rascher, denn es war ganz hell noch auf den Gassen. Doch auch das hinter ihm ging rascher; er brütete noch: "Wer kann das sein?", da schob ein magrer Arm sich in den seinen und ein bleiches bartloses Gesicht mit kurzgeschorenem Schädel sah ihn aus kleinen scharfen Augen an.

John erschrak bis in die Fußspitzen. "Wenzel!" stieß er hervor. "Wo kommst Du her?"

"Wo Du auch einmal sechs Jahr gewesen bist, John! Ich hatte es noch einmal versucht."

"Laß mich!" sagte John; "ich darf nicht mit Dir gesehen werden. Das Leben ist schwer genug." Er ging noch rascher; aber der andre blieb ihm zur Seite.

"Nur die Straße hier hinauf", sagte er. "Du trägst das Zeichen der Ehrlichkeit da auf den Schultern; das thät mir gut zu meiner Reputation!"

John stand still und trat von ihm zurück: "Du machst linksum, oder ich stoße Dich hier zu Boden!"

doch so?“ – Wie eine unheimliche Erinnerung überkam es ihn; aber er konnte sich nicht entsinnen; ihm war nur, als sei ihm Unheil aus den Fersen. Er sah nicht um; aber er ging jetzt rascher, denn es war ganz hell noch auf den Gassen. Doch auch das hinter ihm ging rascher; er brütete noch: „Wer kann das sein?“, da schob ein magrer Arm sich in den seinen und ein bleiches bartloses Gesicht mit kurzgeschorenem Schädel sah ihn aus kleinen scharfen Augen an.

John erschrak bis in die Fußspitzen. „Wenzel!“ stieß er hervor. „Wo kommst Du her?“

„Wo Du auch einmal sechs Jahr gewesen bist, John! Ich hatte es noch einmal versucht.“

„Laß mich!“ sagte John; „ich darf nicht mit Dir gesehen werden. Das Leben ist schwer genug.“ Er ging noch rascher; aber der andre blieb ihm zur Seite.

„Nur die Straße hier hinauf“, sagte er. „Du trägst das Zeichen der Ehrlichkeit da auf den Schultern; das thät mir gut zu meiner Reputation!“

John stand still und trat von ihm zurück: „Du machst linksum, oder ich stoße Dich hier zu Boden!“

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[101/0101] doch so?“ – Wie eine unheimliche Erinnerung überkam es ihn; aber er konnte sich nicht entsinnen; ihm war nur, als sei ihm Unheil aus den Fersen. Er sah nicht um; aber er ging jetzt rascher, denn es war ganz hell noch auf den Gassen. Doch auch das hinter ihm ging rascher; er brütete noch: „Wer kann das sein?“, da schob ein magrer Arm sich in den seinen und ein bleiches bartloses Gesicht mit kurzgeschorenem Schädel sah ihn aus kleinen scharfen Augen an. John erschrak bis in die Fußspitzen. „Wenzel!“ stieß er hervor. „Wo kommst Du her?“ „Wo Du auch einmal sechs Jahr gewesen bist, John! Ich hatte es noch einmal versucht.“ „Laß mich!“ sagte John; „ich darf nicht mit Dir gesehen werden. Das Leben ist schwer genug.“ Er ging noch rascher; aber der andre blieb ihm zur Seite. „Nur die Straße hier hinauf“, sagte er. „Du trägst das Zeichen der Ehrlichkeit da auf den Schultern; das thät mir gut zu meiner Reputation!“ John stand still und trat von ihm zurück: „Du machst linksum, oder ich stoße Dich hier zu Boden!“

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/101>, abgerufen am 22.11.2024.