Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.heute Vormittag mit ihm hinaus waren; er würd' uns dort bald finden!" Wir plauderten aber noch eine Weile, nachdem sie auf meine Bitte ihre mütterliche Arbeit wieder aufgenommen hatte; dann, da er nicht kam, erhob sie sich. "Es wird wohl Zeit!" sagte sie, und ein flüchtig Roth ging über ihr Antlitz. So wanderten wir denn neben einander auf dem Wege zwischen den hohen Tannen, dessen eine Seite noch von der Sonne angeschienen war. Unser Gespräch schien ganz erloschen; nur hin und wieder prüfte ich mit einem Blicke ihr Profil; aber es machte mich nicht klüger. "Gestatten Sie, verehrte Frau", sprach ich endlich, "daß ich die Waldstille unterbreche; es drängt mich, Ihnen Eins zu sagen und Ihnen eine Frage vorzulegen; Sie wissen wohl, daß man in der Fremde doch immer heimlich nach der Heimath sucht!" Sie nickte. "Sprechen Sie nur!" sagte sie. "Ich glaube nicht zu irren", begann ich, "Sie schienen überrascht, als ich heute morgen meinen Namen nannte. Hatten Sie ihn früher schon gehört? heute Vormittag mit ihm hinaus waren; er würd’ uns dort bald finden!“ Wir plauderten aber noch eine Weile, nachdem sie auf meine Bitte ihre mütterliche Arbeit wieder aufgenommen hatte; dann, da er nicht kam, erhob sie sich. „Es wird wohl Zeit!“ sagte sie, und ein flüchtig Roth ging über ihr Antlitz. So wanderten wir denn neben einander auf dem Wege zwischen den hohen Tannen, dessen eine Seite noch von der Sonne angeschienen war. Unser Gespräch schien ganz erloschen; nur hin und wieder prüfte ich mit einem Blicke ihr Profil; aber es machte mich nicht klüger. „Gestatten Sie, verehrte Frau“, sprach ich endlich, „daß ich die Waldstille unterbreche; es drängt mich, Ihnen Eins zu sagen und Ihnen eine Frage vorzulegen; Sie wissen wohl, daß man in der Fremde doch immer heimlich nach der Heimath sucht!“ Sie nickte. „Sprechen Sie nur!“ sagte sie. „Ich glaube nicht zu irren“, begann ich, „Sie schienen überrascht, als ich heute morgen meinen Namen nannte. Hatten Sie ihn früher schon gehört? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="21"/> heute Vormittag mit ihm hinaus waren; er würd’ uns dort bald finden!“</p> <p>Wir plauderten aber noch eine Weile, nachdem sie auf meine Bitte ihre mütterliche Arbeit wieder aufgenommen hatte; dann, da er nicht kam, erhob sie sich. „Es wird wohl Zeit!“ sagte sie, und ein flüchtig Roth ging über ihr Antlitz.</p> <p>So wanderten wir denn neben einander auf dem Wege zwischen den hohen Tannen, dessen eine Seite noch von der Sonne angeschienen war. Unser Gespräch schien ganz erloschen; nur hin und wieder prüfte ich mit einem Blicke ihr Profil; aber es machte mich nicht klüger.</p> <p>„Gestatten Sie, verehrte Frau“, sprach ich endlich, „daß ich die Waldstille unterbreche; es drängt mich, Ihnen Eins zu sagen und Ihnen eine Frage vorzulegen; Sie wissen wohl, daß man in der Fremde doch immer heimlich nach der Heimath sucht!“</p> <p>Sie nickte. „Sprechen Sie nur!“ sagte sie.</p> <p>„Ich glaube nicht zu irren“, begann ich, „Sie schienen überrascht, als ich heute morgen meinen Namen nannte. Hatten Sie ihn früher schon gehört? </p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0021]
heute Vormittag mit ihm hinaus waren; er würd’ uns dort bald finden!“
Wir plauderten aber noch eine Weile, nachdem sie auf meine Bitte ihre mütterliche Arbeit wieder aufgenommen hatte; dann, da er nicht kam, erhob sie sich. „Es wird wohl Zeit!“ sagte sie, und ein flüchtig Roth ging über ihr Antlitz.
So wanderten wir denn neben einander auf dem Wege zwischen den hohen Tannen, dessen eine Seite noch von der Sonne angeschienen war. Unser Gespräch schien ganz erloschen; nur hin und wieder prüfte ich mit einem Blicke ihr Profil; aber es machte mich nicht klüger.
„Gestatten Sie, verehrte Frau“, sprach ich endlich, „daß ich die Waldstille unterbreche; es drängt mich, Ihnen Eins zu sagen und Ihnen eine Frage vorzulegen; Sie wissen wohl, daß man in der Fremde doch immer heimlich nach der Heimath sucht!“
Sie nickte. „Sprechen Sie nur!“ sagte sie.
„Ich glaube nicht zu irren“, begann ich, „Sie schienen überrascht, als ich heute morgen meinen Namen nannte. Hatten Sie ihn früher schon gehört?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-15T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |