Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

an der Gartenmauer rennen. Selbige aber war,
wie ich noch Tags zuvor gesehen, nicht überall
so hoch, daß nicht das wüthige Gethier hinüber
konnte; und rings im Garten war kein Baum,
nichts als die dichten Hecken und drüben gegen
das Haus die Blumenbeete des seligen Herrn.
Da, als eben das Bellen der Hunde wie ein
Triumphgeheule innerhalb der Gartenmauer scholl,
ersahe ich in meiner Noth den alten Epheu-
Baum, der sich mit starkem Stamme an dem
Thurm hinaufreckt; und da dann die Hunde aus
den Hecken auf den mondhellen Platz hinaus¬
raseten, war ich schon hoch genug, daß sie mit
ihrem Anspringen mich nicht mehr erreichen konn¬
ten; nur meinen Mantel, so von der Schulter
geglitten, hatten sie mit ihren Zähnen mir herab¬
gerissen.

Ich aber, also angeklammert und fürchtend,
es werde das nach oben schwächere Geäste mich
auf die Dauer nicht ertragen, blickte suchend um
mich, ob ich nicht irgend bessern Halt gewinnen
möchte; aber es war nichts zu sehen, als die

an der Gartenmauer rennen. Selbige aber war,
wie ich noch Tags zuvor geſehen, nicht überall
ſo hoch, daß nicht das wüthige Gethier hinüber
konnte; und rings im Garten war kein Baum,
nichts als die dichten Hecken und drüben gegen
das Haus die Blumenbeete des ſeligen Herrn.
Da, als eben das Bellen der Hunde wie ein
Triumphgeheule innerhalb der Gartenmauer ſcholl,
erſahe ich in meiner Noth den alten Epheu-
Baum, der ſich mit ſtarkem Stamme an dem
Thurm hinaufreckt; und da dann die Hunde aus
den Hecken auf den mondhellen Platz hinaus¬
raſeten, war ich ſchon hoch genug, daß ſie mit
ihrem Anſpringen mich nicht mehr erreichen konn¬
ten; nur meinen Mantel, ſo von der Schulter
geglitten, hatten ſie mit ihren Zähnen mir herab¬
geriſſen.

Ich aber, alſo angeklammert und fürchtend,
es werde das nach oben ſchwächere Geäſte mich
auf die Dauer nicht ertragen, blickte ſuchend um
mich, ob ich nicht irgend beſſern Halt gewinnen
möchte; aber es war nichts zu ſehen, als die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0093" n="79"/>
an der Gartenmauer rennen. Selbige aber war,<lb/>
wie ich noch Tags zuvor ge&#x017F;ehen, nicht überall<lb/>
&#x017F;o hoch, daß nicht das wüthige Gethier hinüber<lb/>
konnte; und rings im Garten war kein Baum,<lb/>
nichts als die dichten Hecken und drüben gegen<lb/>
das Haus die Blumenbeete des &#x017F;eligen Herrn.<lb/>
Da, als eben das Bellen der Hunde wie ein<lb/>
Triumphgeheule innerhalb der Gartenmauer &#x017F;choll,<lb/>
er&#x017F;ahe ich in meiner Noth den alten Epheu-<lb/>
Baum, der &#x017F;ich mit &#x017F;tarkem Stamme an dem<lb/>
Thurm hinaufreckt; und da dann die Hunde aus<lb/>
den Hecken auf den mondhellen Platz hinaus¬<lb/>
ra&#x017F;eten, war ich &#x017F;chon hoch genug, daß &#x017F;ie mit<lb/>
ihrem An&#x017F;pringen mich nicht mehr erreichen konn¬<lb/>
ten; nur meinen Mantel, &#x017F;o von der Schulter<lb/>
geglitten, hatten &#x017F;ie mit ihren Zähnen mir herab¬<lb/>
geri&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
      <p>Ich aber, al&#x017F;o angeklammert und fürchtend,<lb/>
es werde das nach oben &#x017F;chwächere Geä&#x017F;te mich<lb/>
auf die Dauer nicht ertragen, blickte &#x017F;uchend um<lb/>
mich, ob ich nicht irgend be&#x017F;&#x017F;ern Halt gewinnen<lb/>
möchte; aber es war nichts zu &#x017F;ehen, als die<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0093] an der Gartenmauer rennen. Selbige aber war, wie ich noch Tags zuvor geſehen, nicht überall ſo hoch, daß nicht das wüthige Gethier hinüber konnte; und rings im Garten war kein Baum, nichts als die dichten Hecken und drüben gegen das Haus die Blumenbeete des ſeligen Herrn. Da, als eben das Bellen der Hunde wie ein Triumphgeheule innerhalb der Gartenmauer ſcholl, erſahe ich in meiner Noth den alten Epheu- Baum, der ſich mit ſtarkem Stamme an dem Thurm hinaufreckt; und da dann die Hunde aus den Hecken auf den mondhellen Platz hinaus¬ raſeten, war ich ſchon hoch genug, daß ſie mit ihrem Anſpringen mich nicht mehr erreichen konn¬ ten; nur meinen Mantel, ſo von der Schulter geglitten, hatten ſie mit ihren Zähnen mir herab¬ geriſſen. Ich aber, alſo angeklammert und fürchtend, es werde das nach oben ſchwächere Geäſte mich auf die Dauer nicht ertragen, blickte ſuchend um mich, ob ich nicht irgend beſſern Halt gewinnen möchte; aber es war nichts zu ſehen, als die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/93
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/93>, abgerufen am 02.05.2024.