Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

die aufsteigende Dämmerung hinein; gar bald
an sie, die Eine, nur gedenkend, und immer
wieder mein Herz mit neuen lieblichen Gedanken
schreckend.

Es war aber eine lauwarme Juninacht; von
den dunkelen Feldern erhub sich der Ruch der
Wiesenblumen, aus den Knicken duftete das Gei߬
blatt; in Luft und Laub schwebete ungesehen das
kleine Nachtgeziefer oder flog auch wol surrend
meinem schnaubenden Gaule an die Nüstern;
droben aber an der blauschwarzen ungeheueren
Himmelsglocke über mir strahlte im Süd-Ost das
Sternenbild des Schwanes in seiner unberührten
Herrlichkeit.

Da ich endlich wieder aus Herrn Gerhardus'
Grund und Boden war, resolvirte ich mich sofort,
noch nach dem Dorfe hinüberzureiten, welches
seitwärts von der Fahrstraßen hinterm Wald
belegen ist. Denn ich gedachte, daß der Krüger
Hans Ottsen einen paßlichen Handwagen habe;
mit dem solle er morgen einen Boten in die
Stadt schicken, um die Hamburger Kiste für mich

die aufſteigende Dämmerung hinein; gar bald
an ſie, die Eine, nur gedenkend, und immer
wieder mein Herz mit neuen lieblichen Gedanken
ſchreckend.

Es war aber eine lauwarme Juninacht; von
den dunkelen Feldern erhub ſich der Ruch der
Wieſenblumen, aus den Knicken duftete das Gei߬
blatt; in Luft und Laub ſchwebete ungeſehen das
kleine Nachtgeziefer oder flog auch wol ſurrend
meinem ſchnaubenden Gaule an die Nüſtern;
droben aber an der blauſchwarzen ungeheueren
Himmelsglocke über mir ſtrahlte im Süd-Oſt das
Sternenbild des Schwanes in ſeiner unberührten
Herrlichkeit.

Da ich endlich wieder aus Herrn Gerhardus'
Grund und Boden war, reſolvirte ich mich ſofort,
noch nach dem Dorfe hinüberzureiten, welches
ſeitwärts von der Fahrſtraßen hinterm Wald
belegen iſt. Denn ich gedachte, daß der Krüger
Hans Ottſen einen paßlichen Handwagen habe;
mit dem ſolle er morgen einen Boten in die
Stadt ſchicken, um die Hamburger Kiſte für mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0082" n="68"/>
die auf&#x017F;teigende Dämmerung hinein; gar bald<lb/>
an &#x017F;ie, die Eine, nur gedenkend, und immer<lb/>
wieder mein Herz mit neuen lieblichen Gedanken<lb/>
&#x017F;chreckend.</p><lb/>
      <p>Es war aber eine lauwarme Juninacht; von<lb/>
den dunkelen Feldern erhub &#x017F;ich der Ruch der<lb/>
Wie&#x017F;enblumen, aus den Knicken duftete das Gei߬<lb/>
blatt; in Luft und Laub &#x017F;chwebete unge&#x017F;ehen das<lb/>
kleine Nachtgeziefer oder flog auch wol &#x017F;urrend<lb/>
meinem &#x017F;chnaubenden Gaule an die Nü&#x017F;tern;<lb/>
droben aber an der blau&#x017F;chwarzen ungeheueren<lb/>
Himmelsglocke über mir &#x017F;trahlte im Süd-O&#x017F;t das<lb/>
Sternenbild des Schwanes in &#x017F;einer unberührten<lb/>
Herrlichkeit.</p><lb/>
      <p>Da ich endlich wieder aus Herrn Gerhardus'<lb/>
Grund und Boden war, re&#x017F;olvirte ich mich &#x017F;ofort,<lb/>
noch nach dem Dorfe hinüberzureiten, welches<lb/>
&#x017F;eitwärts von der Fahr&#x017F;traßen hinterm Wald<lb/>
belegen i&#x017F;t. Denn ich gedachte, daß der Krüger<lb/>
Hans Ott&#x017F;en einen paßlichen Handwagen habe;<lb/>
mit dem &#x017F;olle er morgen einen Boten in die<lb/>
Stadt &#x017F;chicken, um die Hamburger Ki&#x017F;te für mich<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0082] die aufſteigende Dämmerung hinein; gar bald an ſie, die Eine, nur gedenkend, und immer wieder mein Herz mit neuen lieblichen Gedanken ſchreckend. Es war aber eine lauwarme Juninacht; von den dunkelen Feldern erhub ſich der Ruch der Wieſenblumen, aus den Knicken duftete das Gei߬ blatt; in Luft und Laub ſchwebete ungeſehen das kleine Nachtgeziefer oder flog auch wol ſurrend meinem ſchnaubenden Gaule an die Nüſtern; droben aber an der blauſchwarzen ungeheueren Himmelsglocke über mir ſtrahlte im Süd-Oſt das Sternenbild des Schwanes in ſeiner unberührten Herrlichkeit. Da ich endlich wieder aus Herrn Gerhardus' Grund und Boden war, reſolvirte ich mich ſofort, noch nach dem Dorfe hinüberzureiten, welches ſeitwärts von der Fahrſtraßen hinterm Wald belegen iſt. Denn ich gedachte, daß der Krüger Hans Ottſen einen paßlichen Handwagen habe; mit dem ſolle er morgen einen Boten in die Stadt ſchicken, um die Hamburger Kiſte für mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/82
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/82>, abgerufen am 23.11.2024.