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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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belegenen Fenster mir schon den Platz erwählet
hatte. Zwar kam Bas' Ursel, die wegen ihrer
Gicht die Treppen nicht hinauf konnte, und
meinete, es möge am Besten in ihrer Stuben
oder im Gemach daran geschehen, so sei es uns
beiderseits zur Unterhaltung; ich aber, solcher
Gevatterschaft gar gern entrathend, hatte an der
dortigen Westsonne einen rechten Malergrund
dagegen, und konnte alles Reden ihr nicht nützen.
Vielmehr war ich am andern Morgen schon dabei,
die Nebenfenster des Saales zu verhängen und
die hohe Staffelei zu stellen, so ich mit Hülfe
Dieterichs mir selber in den letzten Tagen an¬
gefertigt.

Als ich eben den Blendrahmen mit der Leine¬
wand darauf gelegt, öffnete sich die Thür aus
Herrn Gerhardus' Zimmer, und Katharina trat
herein. -- Aus was für Ursach', wäre schwer zu
sagen; aber ich empfand, daß wir uns diesmal
fast erschrocken gegenüberstanden; aus der schwar¬
zen Kleidung, die sie nicht abgeleget, schaute das
junge Antlitz in gar süßer Verwirrung zu mir auf.

belegenen Fenſter mir ſchon den Platz erwählet
hatte. Zwar kam Baſ' Urſel, die wegen ihrer
Gicht die Treppen nicht hinauf konnte, und
meinete, es möge am Beſten in ihrer Stuben
oder im Gemach daran geſchehen, ſo ſei es uns
beiderſeits zur Unterhaltung; ich aber, ſolcher
Gevatterſchaft gar gern entrathend, hatte an der
dortigen Weſtſonne einen rechten Malergrund
dagegen, und konnte alles Reden ihr nicht nützen.
Vielmehr war ich am andern Morgen ſchon dabei,
die Nebenfenſter des Saales zu verhängen und
die hohe Staffelei zu ſtellen, ſo ich mit Hülfe
Dieterichs mir ſelber in den letzten Tagen an¬
gefertigt.

Als ich eben den Blendrahmen mit der Leine¬
wand darauf gelegt, öffnete ſich die Thür aus
Herrn Gerhardus' Zimmer, und Katharina trat
herein. — Aus was für Urſach', wäre ſchwer zu
ſagen; aber ich empfand, daß wir uns diesmal
faſt erſchrocken gegenüberſtanden; aus der ſchwar¬
zen Kleidung, die ſie nicht abgeleget, ſchaute das
junge Antlitz in gar ſüßer Verwirrung zu mir auf.

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[53/0067] belegenen Fenſter mir ſchon den Platz erwählet hatte. Zwar kam Baſ' Urſel, die wegen ihrer Gicht die Treppen nicht hinauf konnte, und meinete, es möge am Beſten in ihrer Stuben oder im Gemach daran geſchehen, ſo ſei es uns beiderſeits zur Unterhaltung; ich aber, ſolcher Gevatterſchaft gar gern entrathend, hatte an der dortigen Weſtſonne einen rechten Malergrund dagegen, und konnte alles Reden ihr nicht nützen. Vielmehr war ich am andern Morgen ſchon dabei, die Nebenfenſter des Saales zu verhängen und die hohe Staffelei zu ſtellen, ſo ich mit Hülfe Dieterichs mir ſelber in den letzten Tagen an¬ gefertigt. Als ich eben den Blendrahmen mit der Leine¬ wand darauf gelegt, öffnete ſich die Thür aus Herrn Gerhardus' Zimmer, und Katharina trat herein. — Aus was für Urſach', wäre ſchwer zu ſagen; aber ich empfand, daß wir uns diesmal faſt erſchrocken gegenüberſtanden; aus der ſchwar¬ zen Kleidung, die ſie nicht abgeleget, ſchaute das junge Antlitz in gar ſüßer Verwirrung zu mir auf.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/67>, abgerufen am 02.05.2024.