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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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sich in mein Gedächtniß. "Höret mich!" sprach
er. "So von Herzen ich Euch hasse, wofür der¬
einst mich Gott in seiner Gnade wolle büßen
lassen, und Ihr vermuthendlich auch mich, --
noch ist Eines uns gemeinsam. -- Geht itzo heim
und bereitet eine Tafel oder Leinewand! Mit
solcher kommet morgen in der Frühe wieder und
malet darauf des todten Knaben Antlitz. Nicht
mir oder meinem Hause; der Kirchen hier, wo
er sein kurz unschuldig Leben ausgelebet, möget
Ihr das Bildniß stiften. Mög' es dort die
Menschen mahnen, daß vor der knöchern' Hand
des Todes Alles Staub ist!"

Ich blickte auf den Mann, der kurz vordem
die edle Malerkunst ein Buhlweib mit der Welt
gescholten; aber ich sagte zu, daß Alles so ge¬
schehen möge.

-- -- Daheim indessen wartete meiner eine
Kunde, so meines Lebens Schuld und Buße gleich
einem Blitze jählings aus dem Dunkel hob, so
daß ich Glied um Glied die ganze Kette vor
mir leuchten sahe.

10 *

ſich in mein Gedächtniß. „Höret mich!“ ſprach
er. „So von Herzen ich Euch haſſe, wofür der¬
einſt mich Gott in ſeiner Gnade wolle büßen
laſſen, und Ihr vermuthendlich auch mich, —
noch iſt Eines uns gemeinſam. — Geht itzo heim
und bereitet eine Tafel oder Leinewand! Mit
ſolcher kommet morgen in der Frühe wieder und
malet darauf des todten Knaben Antlitz. Nicht
mir oder meinem Hauſe; der Kirchen hier, wo
er ſein kurz unſchuldig Leben ausgelebet, möget
Ihr das Bildniß ſtiften. Mög' es dort die
Menſchen mahnen, daß vor der knöchern' Hand
des Todes Alles Staub iſt!“

Ich blickte auf den Mann, der kurz vordem
die edle Malerkunſt ein Buhlweib mit der Welt
geſcholten; aber ich ſagte zu, daß Alles ſo ge¬
ſchehen möge.

— — Daheim indeſſen wartete meiner eine
Kunde, ſo meines Lebens Schuld und Buße gleich
einem Blitze jählings aus dem Dunkel hob, ſo
daß ich Glied um Glied die ganze Kette vor
mir leuchten ſahe.

10 *
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[147/0161] ſich in mein Gedächtniß. „Höret mich!“ ſprach er. „So von Herzen ich Euch haſſe, wofür der¬ einſt mich Gott in ſeiner Gnade wolle büßen laſſen, und Ihr vermuthendlich auch mich, — noch iſt Eines uns gemeinſam. — Geht itzo heim und bereitet eine Tafel oder Leinewand! Mit ſolcher kommet morgen in der Frühe wieder und malet darauf des todten Knaben Antlitz. Nicht mir oder meinem Hauſe; der Kirchen hier, wo er ſein kurz unſchuldig Leben ausgelebet, möget Ihr das Bildniß ſtiften. Mög' es dort die Menſchen mahnen, daß vor der knöchern' Hand des Todes Alles Staub iſt!“ Ich blickte auf den Mann, der kurz vordem die edle Malerkunſt ein Buhlweib mit der Welt geſcholten; aber ich ſagte zu, daß Alles ſo ge¬ ſchehen möge. — — Daheim indeſſen wartete meiner eine Kunde, ſo meines Lebens Schuld und Buße gleich einem Blitze jählings aus dem Dunkel hob, ſo daß ich Glied um Glied die ganze Kette vor mir leuchten ſahe. 10 *

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/161>, abgerufen am 28.04.2024.