Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

ich diesen Seligen doch niemalen zu Gesicht be¬
kommen, von meinem Bruder auch vernommen
hatte, daß selbiger, wie es die Brenner pflegen,
das Zeichen seines Gewerbes als eine blaurothe
Nasen im Gesicht herumgetragen; da habe ich
denn, wie man glauben mag, dem unvernünftigen
Weibe gar hart den Daumen gegenhalten müssen.
Als dann von der Außendiele her wieder neue
Kundschaft nach ihr gerufen und mit den Ge¬
mäßen auf den Schank geklopfet und sie endlich
von mir lassen müssen, da sank mir die Hand
mit dem Pinsel in den Schooß, und ich mußte
plötzlich des Tages gedenken, da ich eines gar
andern Seligen Antlitz mit dem Stifte nachge¬
bildet, und wer da in der kleinen Kapelle so still
bei mir gestanden sei. -- Und also rückwärts
sinnend setzete ich meinen Pinsel wieder an; als
aber selbiger eine gute Weile hin und wieder
gegangen, mußte ich zu eigener Verwunderung
gewahren, daß ich die Züge des edlen Herrn
Gerhardus in des Lazari Angesicht hineingetragen
hatte. Aus seinem Lailach blickte des Todten

ich dieſen Seligen doch niemalen zu Geſicht be¬
kommen, von meinem Bruder auch vernommen
hatte, daß ſelbiger, wie es die Brenner pflegen,
das Zeichen ſeines Gewerbes als eine blaurothe
Naſen im Geſicht herumgetragen; da habe ich
denn, wie man glauben mag, dem unvernünftigen
Weibe gar hart den Daumen gegenhalten müſſen.
Als dann von der Außendiele her wieder neue
Kundſchaft nach ihr gerufen und mit den Ge¬
mäßen auf den Schank geklopfet und ſie endlich
von mir laſſen müſſen, da ſank mir die Hand
mit dem Pinſel in den Schooß, und ich mußte
plötzlich des Tages gedenken, da ich eines gar
andern Seligen Antlitz mit dem Stifte nachge¬
bildet, und wer da in der kleinen Kapelle ſo ſtill
bei mir geſtanden ſei. — Und alſo rückwärts
ſinnend ſetzete ich meinen Pinſel wieder an; als
aber ſelbiger eine gute Weile hin und wieder
gegangen, mußte ich zu eigener Verwunderung
gewahren, daß ich die Züge des edlen Herrn
Gerhardus in des Lazari Angeſicht hineingetragen
hatte. Aus ſeinem Lailach blickte des Todten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0126" n="112"/>
ich die&#x017F;en Seligen doch niemalen zu Ge&#x017F;icht be¬<lb/>
kommen, von meinem Bruder auch vernommen<lb/>
hatte, daß &#x017F;elbiger, wie es die Brenner pflegen,<lb/>
das Zeichen &#x017F;eines Gewerbes als eine blaurothe<lb/>
Na&#x017F;en im Ge&#x017F;icht herumgetragen; da habe ich<lb/>
denn, wie man glauben mag, dem unvernünftigen<lb/>
Weibe gar hart den Daumen gegenhalten mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Als dann von der Außendiele her wieder neue<lb/>
Kund&#x017F;chaft nach ihr gerufen und mit den Ge¬<lb/>
mäßen auf den Schank geklopfet und &#x017F;ie endlich<lb/>
von mir la&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;ank mir die Hand<lb/>
mit dem Pin&#x017F;el in den Schooß, und ich mußte<lb/>
plötzlich des Tages gedenken, da ich eines gar<lb/>
andern Seligen Antlitz mit dem Stifte nachge¬<lb/>
bildet, und wer da in der kleinen Kapelle &#x017F;o &#x017F;till<lb/>
bei mir ge&#x017F;tanden &#x017F;ei. &#x2014; Und al&#x017F;o rückwärts<lb/>
&#x017F;innend &#x017F;etzete ich meinen Pin&#x017F;el wieder an; als<lb/>
aber &#x017F;elbiger eine gute Weile hin und wieder<lb/>
gegangen, mußte ich zu eigener Verwunderung<lb/>
gewahren, daß ich die Züge des edlen Herrn<lb/>
Gerhardus in des Lazari Ange&#x017F;icht hineingetragen<lb/>
hatte. Aus &#x017F;einem Lailach blickte des Todten<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0126] ich dieſen Seligen doch niemalen zu Geſicht be¬ kommen, von meinem Bruder auch vernommen hatte, daß ſelbiger, wie es die Brenner pflegen, das Zeichen ſeines Gewerbes als eine blaurothe Naſen im Geſicht herumgetragen; da habe ich denn, wie man glauben mag, dem unvernünftigen Weibe gar hart den Daumen gegenhalten müſſen. Als dann von der Außendiele her wieder neue Kundſchaft nach ihr gerufen und mit den Ge¬ mäßen auf den Schank geklopfet und ſie endlich von mir laſſen müſſen, da ſank mir die Hand mit dem Pinſel in den Schooß, und ich mußte plötzlich des Tages gedenken, da ich eines gar andern Seligen Antlitz mit dem Stifte nachge¬ bildet, und wer da in der kleinen Kapelle ſo ſtill bei mir geſtanden ſei. — Und alſo rückwärts ſinnend ſetzete ich meinen Pinſel wieder an; als aber ſelbiger eine gute Weile hin und wieder gegangen, mußte ich zu eigener Verwunderung gewahren, daß ich die Züge des edlen Herrn Gerhardus in des Lazari Angeſicht hineingetragen hatte. Aus ſeinem Lailach blickte des Todten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/126
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/126>, abgerufen am 02.05.2024.