Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Bedenklichkeit, von welcher Religion sie auch
seyn mögen. Im gesellschaftlichen Umgange
ist nun vollends keine Spur eines religiösen
Partheygeistes zu finden. Unterredungen, welche
die Religion betreffen, hört man nur äußerst
selten; Debatten über Gegenstände dieser Art
niemals.

Die Beyspiele dieser liebenswürdigen Ver-
träglichkeit würden sehr beschämend für die
Ausländer seyn, wenn sie denselben nicht nach-
zuahmen strebten. Aber auch unter diesen
herrscht eine gegenseitige Duldung und Scho-
nung, wie man sie gewiß nur selten, selbst in
den aufgeklärtesten Staaten findet. Geistliche
aller Religionen leben in der größten Einig-
keit *), zum Theil in genauem Umgange. Vor
einigen Jahren hielten die reformirten und lu-
therischen Prediger wöchentliche Zusammen-
künfte, um sich über Religionsmaterien und
Amtsverrichtungen zu unterreden und ihre Ein-
tracht durch einen vertraulichen Umgang zu

*) Leider machen die Deutschen auch hierinn zuweilen
eine Ausnahme.

Bedenklichkeit, von welcher Religion ſie auch
ſeyn moͤgen. Im geſellſchaftlichen Umgange
iſt nun vollends keine Spur eines religioͤſen
Partheygeiſtes zu finden. Unterredungen, welche
die Religion betreffen, hoͤrt man nur aͤußerſt
ſelten; Debatten uͤber Gegenſtaͤnde dieſer Art
niemals.

Die Beyſpiele dieſer liebenswuͤrdigen Ver-
traͤglichkeit wuͤrden ſehr beſchaͤmend fuͤr die
Auslaͤnder ſeyn, wenn ſie denſelben nicht nach-
zuahmen ſtrebten. Aber auch unter dieſen
herrſcht eine gegenſeitige Duldung und Scho-
nung, wie man ſie gewiß nur ſelten, ſelbſt in
den aufgeklaͤrteſten Staaten findet. Geiſtliche
aller Religionen leben in der groͤßten Einig-
keit *), zum Theil in genauem Umgange. Vor
einigen Jahren hielten die reformirten und lu-
theriſchen Prediger woͤchentliche Zuſammen-
kuͤnfte, um ſich uͤber Religionsmaterien und
Amtsverrichtungen zu unterreden und ihre Ein-
tracht durch einen vertraulichen Umgang zu

*) Leider machen die Deutſchen auch hierinn zuweilen
eine Ausnahme.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0525" n="507"/>
Bedenklichkeit, von welcher Religion &#x017F;ie auch<lb/>
&#x017F;eyn mo&#x0364;gen. Im ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Umgange<lb/>
i&#x017F;t nun vollends keine Spur eines religio&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Partheygei&#x017F;tes zu finden. Unterredungen, welche<lb/>
die Religion betreffen, ho&#x0364;rt man nur a&#x0364;ußer&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elten; Debatten u&#x0364;ber Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde die&#x017F;er Art<lb/>
niemals.</p><lb/>
          <p>Die Bey&#x017F;piele die&#x017F;er liebenswu&#x0364;rdigen Ver-<lb/>
tra&#x0364;glichkeit wu&#x0364;rden &#x017F;ehr be&#x017F;cha&#x0364;mend fu&#x0364;r die<lb/>
Ausla&#x0364;nder &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie den&#x017F;elben nicht nach-<lb/>
zuahmen &#x017F;trebten. Aber auch unter die&#x017F;en<lb/>
herr&#x017F;cht eine gegen&#x017F;eitige Duldung und Scho-<lb/>
nung, wie man &#x017F;ie gewiß nur &#x017F;elten, &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
den aufgekla&#x0364;rte&#x017F;ten Staaten findet. Gei&#x017F;tliche<lb/>
aller Religionen leben in der gro&#x0364;ßten Einig-<lb/>
keit <note place="foot" n="*)">Leider machen die Deut&#x017F;chen auch hierinn zuweilen<lb/>
eine Ausnahme.</note>, zum Theil in genauem Umgange. Vor<lb/>
einigen Jahren hielten die reformirten und lu-<lb/>
theri&#x017F;chen Prediger wo&#x0364;chentliche Zu&#x017F;ammen-<lb/>
ku&#x0364;nfte, um &#x017F;ich u&#x0364;ber Religionsmaterien und<lb/>
Amtsverrichtungen zu unterreden und ihre Ein-<lb/>
tracht durch einen vertraulichen Umgang zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[507/0525] Bedenklichkeit, von welcher Religion ſie auch ſeyn moͤgen. Im geſellſchaftlichen Umgange iſt nun vollends keine Spur eines religioͤſen Partheygeiſtes zu finden. Unterredungen, welche die Religion betreffen, hoͤrt man nur aͤußerſt ſelten; Debatten uͤber Gegenſtaͤnde dieſer Art niemals. Die Beyſpiele dieſer liebenswuͤrdigen Ver- traͤglichkeit wuͤrden ſehr beſchaͤmend fuͤr die Auslaͤnder ſeyn, wenn ſie denſelben nicht nach- zuahmen ſtrebten. Aber auch unter dieſen herrſcht eine gegenſeitige Duldung und Scho- nung, wie man ſie gewiß nur ſelten, ſelbſt in den aufgeklaͤrteſten Staaten findet. Geiſtliche aller Religionen leben in der groͤßten Einig- keit *), zum Theil in genauem Umgange. Vor einigen Jahren hielten die reformirten und lu- theriſchen Prediger woͤchentliche Zuſammen- kuͤnfte, um ſich uͤber Religionsmaterien und Amtsverrichtungen zu unterreden und ihre Ein- tracht durch einen vertraulichen Umgang zu *) Leider machen die Deutſchen auch hierinn zuweilen eine Ausnahme.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/525
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/525>, abgerufen am 02.05.2024.