Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Freyheiten, welche die geduldeten Religions-
partheyen unter Katharinens Schutz ge-
nießen, nirgend, weder bey dem Volk noch in
den höhern Ständen, nicht einmal bey der
Geistlichkeit, die geringste Unzufriedenheit oder
Rivalität erwecken. Prälaten der griechischen
Kirche leben mit den Religionslehrern fremder
Glaubensverwandten in freundschaftlichem Um-
gange und laden sie zu ihren Tafeln oder Fe-
sten ein; russische Geistliche wohnen dem Got-
tesdienste der Protestanten bey, studiren in
Holland, England und Deutschland die höhern
Wissenschaften und hören dort zuweilen theo-
logische Vorlesungen. Man hat sogar das
Beyspiel, daß ein angesehener russischer Geist-
liche seine Tochter einem lutherischen Prediger
zur Erziehung übergab. -- Unter den Layen
der griechischen Religionsparthey geht diese
Verträglichkeit natürlich noch weiter. Sie er-
scheinen nicht nur als erbetene Zeugen bey
feyerlichen Vorgängen, sondern auch außerdem
häufig in den Kirchen der Ausländer, tragen
gerne zur Erhaltung der Kirchen und Schu-
len bey, lassen ihre Kinder von Ausländern
erziehen, und verheyrathen sich mit diesen ohne

Freyheiten, welche die geduldeten Religions-
partheyen unter Katharinens Schutz ge-
nießen, nirgend, weder bey dem Volk noch in
den hoͤhern Staͤnden, nicht einmal bey der
Geiſtlichkeit, die geringſte Unzufriedenheit oder
Rivalitaͤt erwecken. Praͤlaten der griechiſchen
Kirche leben mit den Religionslehrern fremder
Glaubensverwandten in freundſchaftlichem Um-
gange und laden ſie zu ihren Tafeln oder Fe-
ſten ein; ruſſiſche Geiſtliche wohnen dem Got-
tesdienſte der Proteſtanten bey, ſtudiren in
Holland, England und Deutſchland die hoͤhern
Wiſſenſchaften und hoͤren dort zuweilen theo-
logiſche Vorleſungen. Man hat ſogar das
Beyſpiel, daß ein angeſehener ruſſiſcher Geiſt-
liche ſeine Tochter einem lutheriſchen Prediger
zur Erziehung uͤbergab. — Unter den Layen
der griechiſchen Religionsparthey geht dieſe
Vertraͤglichkeit natuͤrlich noch weiter. Sie er-
ſcheinen nicht nur als erbetene Zeugen bey
feyerlichen Vorgaͤngen, ſondern auch außerdem
haͤufig in den Kirchen der Auslaͤnder, tragen
gerne zur Erhaltung der Kirchen und Schu-
len bey, laſſen ihre Kinder von Auslaͤndern
erziehen, und verheyrathen ſich mit dieſen ohne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0524" n="506"/>
Freyheiten, welche die geduldeten Religions-<lb/>
partheyen unter <hi rendition="#g">Katharinens</hi> Schutz ge-<lb/>
nießen, nirgend, weder bey dem Volk noch in<lb/>
den ho&#x0364;hern Sta&#x0364;nden, nicht einmal bey der<lb/>
Gei&#x017F;tlichkeit, die gering&#x017F;te Unzufriedenheit oder<lb/>
Rivalita&#x0364;t erwecken. Pra&#x0364;laten der griechi&#x017F;chen<lb/>
Kirche leben mit den Religionslehrern fremder<lb/>
Glaubensverwandten in freund&#x017F;chaftlichem Um-<lb/>
gange und laden &#x017F;ie zu ihren Tafeln oder Fe-<lb/>
&#x017F;ten ein; ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Gei&#x017F;tliche wohnen dem Got-<lb/>
tesdien&#x017F;te der Prote&#x017F;tanten bey, &#x017F;tudiren in<lb/>
Holland, England und Deut&#x017F;chland die ho&#x0364;hern<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und ho&#x0364;ren dort zuweilen theo-<lb/>
logi&#x017F;che Vorle&#x017F;ungen. Man hat &#x017F;ogar das<lb/>
Bey&#x017F;piel, daß ein ange&#x017F;ehener ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Gei&#x017F;t-<lb/>
liche &#x017F;eine Tochter einem lutheri&#x017F;chen Prediger<lb/>
zur Erziehung u&#x0364;bergab. &#x2014; Unter den Layen<lb/>
der griechi&#x017F;chen Religionsparthey geht die&#x017F;e<lb/>
Vertra&#x0364;glichkeit natu&#x0364;rlich noch weiter. Sie er-<lb/>
&#x017F;cheinen nicht nur als erbetene Zeugen bey<lb/>
feyerlichen Vorga&#x0364;ngen, &#x017F;ondern auch außerdem<lb/>
ha&#x0364;ufig in den Kirchen der Ausla&#x0364;nder, tragen<lb/>
gerne zur Erhaltung der Kirchen und Schu-<lb/>
len bey, la&#x017F;&#x017F;en ihre Kinder von Ausla&#x0364;ndern<lb/>
erziehen, und verheyrathen &#x017F;ich mit die&#x017F;en ohne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[506/0524] Freyheiten, welche die geduldeten Religions- partheyen unter Katharinens Schutz ge- nießen, nirgend, weder bey dem Volk noch in den hoͤhern Staͤnden, nicht einmal bey der Geiſtlichkeit, die geringſte Unzufriedenheit oder Rivalitaͤt erwecken. Praͤlaten der griechiſchen Kirche leben mit den Religionslehrern fremder Glaubensverwandten in freundſchaftlichem Um- gange und laden ſie zu ihren Tafeln oder Fe- ſten ein; ruſſiſche Geiſtliche wohnen dem Got- tesdienſte der Proteſtanten bey, ſtudiren in Holland, England und Deutſchland die hoͤhern Wiſſenſchaften und hoͤren dort zuweilen theo- logiſche Vorleſungen. Man hat ſogar das Beyſpiel, daß ein angeſehener ruſſiſcher Geiſt- liche ſeine Tochter einem lutheriſchen Prediger zur Erziehung uͤbergab. — Unter den Layen der griechiſchen Religionsparthey geht dieſe Vertraͤglichkeit natuͤrlich noch weiter. Sie er- ſcheinen nicht nur als erbetene Zeugen bey feyerlichen Vorgaͤngen, ſondern auch außerdem haͤufig in den Kirchen der Auslaͤnder, tragen gerne zur Erhaltung der Kirchen und Schu- len bey, laſſen ihre Kinder von Auslaͤndern erziehen, und verheyrathen ſich mit dieſen ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/524
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/524>, abgerufen am 21.11.2024.