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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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mäßigen Entwürfe. Trotz den englischen Lords
vertheilen sich die russischen Großen in den kul-
tivirten Ländern von Europa und suchen überall
Kunstwerke und Kostbarkeiten zusammen, um
ihre Familiensitze zu verschönern. Beweise
hievon finden sich in mehreren vorhergehenden
Abschnitten. Zuweilen aber kontrastirt auch
der edelste Geschmack in der Bauart mit ein-
zelnen bizarren Ideen, oder die größte Pracht
in der innern Einrichtung mit einer auffallen-
den Vernachläßigung in kleinen alltäglichen Ge-
genständen. Diese Ungleichheit wird fast in al-
len Zweigen der Lebensart sichtbar, wie man
aus mehreren vorhin angeführten Beyspielen
weiß. Große, welche Liebhaberey von Pfer-
den machen und einen fürstlichen Stall unter-
halten, lassen nicht selten häßliche Miethgäule
vor ihre prächtige Wagen spannen; reichge-
kleidete Husaren stechen zuweilen neben alten,
schmutzigen Livreen ab. Nur an Gallatagen
oder bey festlichen Gelegenheiten sieht man
jene Uebereinstimmung und Ordnung, die oft
mehr gefällt als die Pracht selbst, hier aber
nach einer allgemeinen Konvenienz so leicht
vernachläßigt wird.


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maͤßigen Entwuͤrfe. Trotz den engliſchen Lords
vertheilen ſich die ruſſiſchen Großen in den kul-
tivirten Laͤndern von Europa und ſuchen uͤberall
Kunſtwerke und Koſtbarkeiten zuſammen, um
ihre Familienſitze zu verſchoͤnern. Beweiſe
hievon finden ſich in mehreren vorhergehenden
Abſchnitten. Zuweilen aber kontraſtirt auch
der edelſte Geſchmack in der Bauart mit ein-
zelnen bizarren Ideen, oder die groͤßte Pracht
in der innern Einrichtung mit einer auffallen-
den Vernachlaͤßigung in kleinen alltaͤglichen Ge-
genſtaͤnden. Dieſe Ungleichheit wird faſt in al-
len Zweigen der Lebensart ſichtbar, wie man
aus mehreren vorhin angefuͤhrten Beyſpielen
weiß. Große, welche Liebhaberey von Pfer-
den machen und einen fuͤrſtlichen Stall unter-
halten, laſſen nicht ſelten haͤßliche Miethgaͤule
vor ihre praͤchtige Wagen ſpannen; reichge-
kleidete Huſaren ſtechen zuweilen neben alten,
ſchmutzigen Livreen ab. Nur an Gallatagen
oder bey feſtlichen Gelegenheiten ſieht man
jene Uebereinſtimmung und Ordnung, die oft
mehr gefaͤllt als die Pracht ſelbſt, hier aber
nach einer allgemeinen Konvenienz ſo leicht
vernachlaͤßigt wird.


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[473/0491] maͤßigen Entwuͤrfe. Trotz den engliſchen Lords vertheilen ſich die ruſſiſchen Großen in den kul- tivirten Laͤndern von Europa und ſuchen uͤberall Kunſtwerke und Koſtbarkeiten zuſammen, um ihre Familienſitze zu verſchoͤnern. Beweiſe hievon finden ſich in mehreren vorhergehenden Abſchnitten. Zuweilen aber kontraſtirt auch der edelſte Geſchmack in der Bauart mit ein- zelnen bizarren Ideen, oder die groͤßte Pracht in der innern Einrichtung mit einer auffallen- den Vernachlaͤßigung in kleinen alltaͤglichen Ge- genſtaͤnden. Dieſe Ungleichheit wird faſt in al- len Zweigen der Lebensart ſichtbar, wie man aus mehreren vorhin angefuͤhrten Beyſpielen weiß. Große, welche Liebhaberey von Pfer- den machen und einen fuͤrſtlichen Stall unter- halten, laſſen nicht ſelten haͤßliche Miethgaͤule vor ihre praͤchtige Wagen ſpannen; reichge- kleidete Huſaren ſtechen zuweilen neben alten, ſchmutzigen Livreen ab. Nur an Gallatagen oder bey feſtlichen Gelegenheiten ſieht man jene Uebereinſtimmung und Ordnung, die oft mehr gefaͤllt als die Pracht ſelbſt, hier aber nach einer allgemeinen Konvenienz ſo leicht vernachlaͤßigt wird. G g 5

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/491>, abgerufen am 19.05.2024.