benswürdige, und nicht wer das Glück -- wie das alte Sprichwort sagt -- sondern wer das Geld hat, führt die Braut nach Hause.
Sollte es wol nöthig seyn, für irgend ei- nen kurzsichtigen oder hämischen Leser anzu- merken, daß hier nur von der Mehrheit die Rede ist, und daß es glückliche Familien, zärt- liche Ehegatten, uninteressirte Verbindungen giebt, die eine beneidenswerthe Ausnahme von dieser Schilderung machen? Aber so zahlreich diese Ausnahme seyn mag -- in Städten von eben dem Range, wo weniger Luxus und eine einfachere Erziehung statt finden, ist sie größer.
Bey allem Mangel an Häuslichkeit fehlt es den Frauen aus dem Mittelstande nicht an jener Wirthschaftlichkeit, die im Innern und im Detail des Hauswesens zu sparen sucht, um im Aeußern und bey öffentlichen Vorfäl- len einen desto größern Aufwand behaupten zu können. Wer sich von dem Ameublement, der Kleidung und dem Tafelluxus an Gesellschafts- tagen verführen ließe, auf die tägliche Lebens- art und den Wohlstand der Familien zu schlie- ßen, würde sich in sehr vielen Fällen zu sei- nem Erstaunen getäuscht sehen. Der Wunsch,
benswuͤrdige, und nicht wer das Gluͤck — wie das alte Sprichwort ſagt — ſondern wer das Geld hat, fuͤhrt die Braut nach Hauſe.
Sollte es wol noͤthig ſeyn, fuͤr irgend ei- nen kurzſichtigen oder haͤmiſchen Leſer anzu- merken, daß hier nur von der Mehrheit die Rede iſt, und daß es gluͤckliche Familien, zaͤrt- liche Ehegatten, unintereſſirte Verbindungen giebt, die eine beneidenswerthe Ausnahme von dieſer Schilderung machen? Aber ſo zahlreich dieſe Ausnahme ſeyn mag — in Staͤdten von eben dem Range, wo weniger Luxus und eine einfachere Erziehung ſtatt finden, iſt ſie groͤßer.
Bey allem Mangel an Haͤuslichkeit fehlt es den Frauen aus dem Mittelſtande nicht an jener Wirthſchaftlichkeit, die im Innern und im Detail des Hausweſens zu ſparen ſucht, um im Aeußern und bey oͤffentlichen Vorfaͤl- len einen deſto groͤßern Aufwand behaupten zu koͤnnen. Wer ſich von dem Ameublement, der Kleidung und dem Tafelluxus an Geſellſchafts- tagen verfuͤhren ließe, auf die taͤgliche Lebens- art und den Wohlſtand der Familien zu ſchlie- ßen, wuͤrde ſich in ſehr vielen Faͤllen zu ſei- nem Erſtaunen getaͤuſcht ſehen. Der Wunſch,
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benswuͤrdige, und nicht wer das Gluͤck —
wie das alte Sprichwort ſagt — ſondern wer
das Geld hat, fuͤhrt die Braut nach Hauſe.
Sollte es wol noͤthig ſeyn, fuͤr irgend ei-
nen kurzſichtigen oder haͤmiſchen Leſer anzu-
merken, daß hier nur von der Mehrheit die
Rede iſt, und daß es gluͤckliche Familien, zaͤrt-
liche Ehegatten, unintereſſirte Verbindungen
giebt, die eine beneidenswerthe Ausnahme von
dieſer Schilderung machen? Aber ſo zahlreich
dieſe Ausnahme ſeyn mag — in Staͤdten von
eben dem Range, wo weniger Luxus und eine
einfachere Erziehung ſtatt finden, iſt ſie groͤßer.
Bey allem Mangel an Haͤuslichkeit fehlt
es den Frauen aus dem Mittelſtande nicht an
jener Wirthſchaftlichkeit, die im Innern und
im Detail des Hausweſens zu ſparen ſucht,
um im Aeußern und bey oͤffentlichen Vorfaͤl-
len einen deſto groͤßern Aufwand behaupten zu
koͤnnen. Wer ſich von dem Ameublement, der
Kleidung und dem Tafelluxus an Geſellſchafts-
tagen verfuͤhren ließe, auf die taͤgliche Lebens-
art und den Wohlſtand der Familien zu ſchlie-
ßen, wuͤrde ſich in ſehr vielen Faͤllen zu ſei-
nem Erſtaunen getaͤuſcht ſehen. Der Wunſch,
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/478>, abgerufen am 23.11.2024.
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