den Stoff zu einer kleinen Gemüthsergötzung zu liefern.
Dieses drollige, aber nach der Natur ge- zeichnete Bild der Leiden und Schicksale eines petersburgischen Fußgängers rechtfertigt den allgemeinen Gebrauch der Equipage, der nir- gend größer, aber auch nirgend dringender ist, als hier. Ein milderer Himmel und größere Bequemlichkeiten machen in andern Residenzen die Equipage zum Luxus reicher und verwöhn- ter Menschen; hier ist sie das Bedürfniß eines Jeden, und wer ihrer entbehren muß, opfert der Nothwendigkeit einen großen Theil seines Lebensgenusses.
So viel sich aber zur Entschuldigung die- ser und der vorhin angeführten Forderungen der guten Gesellschaft sagen läßt, so wenig mag ich der Lobredner des großen Maaßstabes seyn, nach welchem man, fast durchgängig, den Werth und die Verhältnisse der Menschen berechnet. Hier ist die erste Frage: welchen Rang hat der Mann? In England: wie viel gilt er? -- Es giebt keine treffendere Pa- rallele als diese.
den Stoff zu einer kleinen Gemuͤthsergoͤtzung zu liefern.
Dieſes drollige, aber nach der Natur ge- zeichnete Bild der Leiden und Schickſale eines petersburgiſchen Fußgaͤngers rechtfertigt den allgemeinen Gebrauch der Equipage, der nir- gend groͤßer, aber auch nirgend dringender iſt, als hier. Ein milderer Himmel und groͤßere Bequemlichkeiten machen in andern Reſidenzen die Equipage zum Luxus reicher und verwoͤhn- ter Menſchen; hier iſt ſie das Beduͤrfniß eines Jeden, und wer ihrer entbehren muß, opfert der Nothwendigkeit einen großen Theil ſeines Lebensgenuſſes.
So viel ſich aber zur Entſchuldigung die- ſer und der vorhin angefuͤhrten Forderungen der guten Geſellſchaft ſagen laͤßt, ſo wenig mag ich der Lobredner des großen Maaßſtabes ſeyn, nach welchem man, faſt durchgaͤngig, den Werth und die Verhaͤltniſſe der Menſchen berechnet. Hier iſt die erſte Frage: welchen Rang hat der Mann? In England: wie viel gilt er? — Es giebt keine treffendere Pa- rallele als dieſe.
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den Stoff zu einer kleinen Gemuͤthsergoͤtzung
zu liefern.
Dieſes drollige, aber nach der Natur ge-
zeichnete Bild der Leiden und Schickſale eines
petersburgiſchen Fußgaͤngers rechtfertigt den
allgemeinen Gebrauch der Equipage, der nir-
gend groͤßer, aber auch nirgend dringender iſt,
als hier. Ein milderer Himmel und groͤßere
Bequemlichkeiten machen in andern Reſidenzen
die Equipage zum Luxus reicher und verwoͤhn-
ter Menſchen; hier iſt ſie das Beduͤrfniß eines
Jeden, und wer ihrer entbehren muß, opfert
der Nothwendigkeit einen großen Theil ſeines
Lebensgenuſſes.
So viel ſich aber zur Entſchuldigung die-
ſer und der vorhin angefuͤhrten Forderungen
der guten Geſellſchaft ſagen laͤßt, ſo wenig
mag ich der Lobredner des großen Maaßſtabes
ſeyn, nach welchem man, faſt durchgaͤngig, den
Werth und die Verhaͤltniſſe der Menſchen
berechnet. Hier iſt die erſte Frage: welchen
Rang hat der Mann? In England: wie
viel gilt er? — Es giebt keine treffendere Pa-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/470>, abgerufen am 17.05.2024.
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