den Zirkeln der feinen Welt erlangt hat, setzen ihrer allgemeinern Einführung große Hinder- nisse entgegen. Demungeachtet steht sie doch bey der Nation in größerer Achtung als irgend eine andere Sprache, die französische ausge- nommen; Leute vom höchsten Range widmen sich ihrer Erlernung, und wenn sie nicht häu- figer gesprochen wird, so rührt dies größten- theils von den Schwierigkeiten ihrer Aussprache her, die den Russen vorzüglich viele Mühe macht. Selten wird man einen kultivirten Petersburger finden, der nicht diese drey Spra- chen in größerer oder geringerer Vollkommen- heit inne hätte; das Englische hingegen ist mehr eine Liebhaberey einzelner Menschen.
Dieses Verhältniß, welches die Franzosen so vorzüglich begünstigt, macht ihnen natürlich den Besitz der Landessprache eben so entbehr- lich, als er den Deutschen nothwendig wird, wenn sie das Französische nicht mit einiger Ge- läufigkeit sprechen. Viele unter diesen bringen es hier in der letztern so weit, als ob sie eine Zeitlang in Frankreich gelebt hätten; andere und die Mehresten legen sich mit der dem Deutschen so eigenthümlichen Gedult und Aus-
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den Zirkeln der feinen Welt erlangt hat, ſetzen ihrer allgemeinern Einfuͤhrung große Hinder- niſſe entgegen. Demungeachtet ſteht ſie doch bey der Nation in groͤßerer Achtung als irgend eine andere Sprache, die franzoͤſiſche ausge- nommen; Leute vom hoͤchſten Range widmen ſich ihrer Erlernung, und wenn ſie nicht haͤu- figer geſprochen wird, ſo ruͤhrt dies groͤßten- theils von den Schwierigkeiten ihrer Ausſprache her, die den Ruſſen vorzuͤglich viele Muͤhe macht. Selten wird man einen kultivirten Petersburger finden, der nicht dieſe drey Spra- chen in groͤßerer oder geringerer Vollkommen- heit inne haͤtte; das Engliſche hingegen iſt mehr eine Liebhaberey einzelner Menſchen.
Dieſes Verhaͤltniß, welches die Franzoſen ſo vorzuͤglich beguͤnſtigt, macht ihnen natuͤrlich den Beſitz der Landesſprache eben ſo entbehr- lich, als er den Deutſchen nothwendig wird, wenn ſie das Franzoͤſiſche nicht mit einiger Ge- laͤufigkeit ſprechen. Viele unter dieſen bringen es hier in der letztern ſo weit, als ob ſie eine Zeitlang in Frankreich gelebt haͤtten; andere und die Mehreſten legen ſich mit der dem Deutſchen ſo eigenthuͤmlichen Gedult und Aus-
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den Zirkeln der feinen Welt erlangt hat, ſetzen
ihrer allgemeinern Einfuͤhrung große Hinder-
niſſe entgegen. Demungeachtet ſteht ſie doch
bey der Nation in groͤßerer Achtung als irgend
eine andere Sprache, die franzoͤſiſche ausge-
nommen; Leute vom hoͤchſten Range widmen
ſich ihrer Erlernung, und wenn ſie nicht haͤu-
figer geſprochen wird, ſo ruͤhrt dies groͤßten-
theils von den Schwierigkeiten ihrer Ausſprache
her, die den Ruſſen vorzuͤglich viele Muͤhe
macht. Selten wird man einen kultivirten
Petersburger finden, der nicht dieſe drey Spra-
chen in groͤßerer oder geringerer Vollkommen-
heit inne haͤtte; das Engliſche hingegen iſt mehr
eine Liebhaberey einzelner Menſchen.
Dieſes Verhaͤltniß, welches die Franzoſen
ſo vorzuͤglich beguͤnſtigt, macht ihnen natuͤrlich
den Beſitz der Landesſprache eben ſo entbehr-
lich, als er den Deutſchen nothwendig wird,
wenn ſie das Franzoͤſiſche nicht mit einiger Ge-
laͤufigkeit ſprechen. Viele unter dieſen bringen
es hier in der letztern ſo weit, als ob ſie eine
Zeitlang in Frankreich gelebt haͤtten; andere
und die Mehreſten legen ſich mit der dem
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/455>, abgerufen am 23.11.2024.
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