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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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Gesellschaft mit; die Masse von Kenntnissen,
die dadurch in den feinern Zirkeln in Umlauf
gebracht wird, macht diese um so interessan-
ter. Der Horizont eines Jeden erweitert sich;
man verliert den alltäglichen und kleinlichen
Gesichtspunkt aus den Augen, unter welchem
man, bey einer eingeschränktern Welt- und
Menschenkenntniß die Dinge zu betrachten ge-
wohnt war. Das große Spiel der Leiden-
schaften und Intriguen, welches überall auf
einem so glänzenden und ausgedehnten Thea-
ter durch stärkere Triebfedern gehoben wird,
lehrt die Menschen von einer ganz andern
Seite kennen, als unsere Bücher und die Re-
sultate eines einförmigen Lebensganges sie schil-
dern. Die Quellen merkwürdiger Begeben-
heiten, die wahre Verkettung entfernt schei-
nender Ursachen und Wirkungen offenbaren
sich hier leichter dem Blick des aufmerksamen
Forschers. Wenn auf der Einen Seite Miß-
trauen und Glaube an die Schlechtigkeit des
menschlichen Herzens der Gewinn dieser Er-
fahrungen ist, so lehren sie auf der andern
Behutsamkeit und die Ausübung des goldnen
Sprüchelchens: nil admirari.


Geſellſchaft mit; die Maſſe von Kenntniſſen,
die dadurch in den feinern Zirkeln in Umlauf
gebracht wird, macht dieſe um ſo intereſſan-
ter. Der Horizont eines Jeden erweitert ſich;
man verliert den alltaͤglichen und kleinlichen
Geſichtspunkt aus den Augen, unter welchem
man, bey einer eingeſchraͤnktern Welt- und
Menſchenkenntniß die Dinge zu betrachten ge-
wohnt war. Das große Spiel der Leiden-
ſchaften und Intriguen, welches uͤberall auf
einem ſo glaͤnzenden und ausgedehnten Thea-
ter durch ſtaͤrkere Triebfedern gehoben wird,
lehrt die Menſchen von einer ganz andern
Seite kennen, als unſere Buͤcher und die Re-
ſultate eines einfoͤrmigen Lebensganges ſie ſchil-
dern. Die Quellen merkwuͤrdiger Begeben-
heiten, die wahre Verkettung entfernt ſchei-
nender Urſachen und Wirkungen offenbaren
ſich hier leichter dem Blick des aufmerkſamen
Forſchers. Wenn auf der Einen Seite Miß-
trauen und Glaube an die Schlechtigkeit des
menſchlichen Herzens der Gewinn dieſer Er-
fahrungen iſt, ſo lehren ſie auf der andern
Behutſamkeit und die Ausuͤbung des goldnen
Spruͤchelchens: nil admirari.


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[431/0449] Geſellſchaft mit; die Maſſe von Kenntniſſen, die dadurch in den feinern Zirkeln in Umlauf gebracht wird, macht dieſe um ſo intereſſan- ter. Der Horizont eines Jeden erweitert ſich; man verliert den alltaͤglichen und kleinlichen Geſichtspunkt aus den Augen, unter welchem man, bey einer eingeſchraͤnktern Welt- und Menſchenkenntniß die Dinge zu betrachten ge- wohnt war. Das große Spiel der Leiden- ſchaften und Intriguen, welches uͤberall auf einem ſo glaͤnzenden und ausgedehnten Thea- ter durch ſtaͤrkere Triebfedern gehoben wird, lehrt die Menſchen von einer ganz andern Seite kennen, als unſere Buͤcher und die Re- ſultate eines einfoͤrmigen Lebensganges ſie ſchil- dern. Die Quellen merkwuͤrdiger Begeben- heiten, die wahre Verkettung entfernt ſchei- nender Urſachen und Wirkungen offenbaren ſich hier leichter dem Blick des aufmerkſamen Forſchers. Wenn auf der Einen Seite Miß- trauen und Glaube an die Schlechtigkeit des menſchlichen Herzens der Gewinn dieſer Er- fahrungen iſt, ſo lehren ſie auf der andern Behutſamkeit und die Ausuͤbung des goldnen Spruͤchelchens: nil admirari.

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/449>, abgerufen am 17.05.2024.