folgt, so ist es rathsam, eine solche Bekannt- schaft nicht zu kultiviren. Ist der Gast dem Wirthe angenehm, so zeigt dieser Jenem zu Ende des ersten Besuchs seine Gesellschafts- tage an, wenn er welche hält, oder bittet ihn, sein Haus recht oft zu besuchen. Ein junger Mann der nur einiges Talent für die Gesell- schaft hat, sieht sich in Petersburg der Sorge für seine Wirthschaft ganz überhoben; wer in sechs bis acht guten Häusern bekannt ist, kann täglich auf Kosten seiner Freunde und in sehr angenehmen Zirkeln speisen. Diese Lebensart, die unter unverheyratheten Leuten aller Stände überaus allgemein ist, führt schlechterdings nichts Verächtliches mit sich. Der Aufwand in der Kleidung den sie nothwendig macht und das Spiel zu welchem sie verleitet, wie- gen den Vortheil auf, den das Parasitenleben für den Beutel hervorbringen könnte. Hiezu kommt das Bedürfniß der Gesellschaft, wel- ches die mehresten Petersburger so lebhaft empfinden. Wenn alle unverheyrathete Män- ner ihre eigne Küche halten oder in Gasthöfen speisen wollten, so würde der größte Theil der guten Häuser öde und leer seyn. Kein fürch-
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folgt, ſo iſt es rathſam, eine ſolche Bekannt- ſchaft nicht zu kultiviren. Iſt der Gaſt dem Wirthe angenehm, ſo zeigt dieſer Jenem zu Ende des erſten Beſuchs ſeine Geſellſchafts- tage an, wenn er welche haͤlt, oder bittet ihn, ſein Haus recht oft zu beſuchen. Ein junger Mann der nur einiges Talent fuͤr die Geſell- ſchaft hat, ſieht ſich in Petersburg der Sorge fuͤr ſeine Wirthſchaft ganz uͤberhoben; wer in ſechs bis acht guten Haͤuſern bekannt iſt, kann taͤglich auf Koſten ſeiner Freunde und in ſehr angenehmen Zirkeln ſpeiſen. Dieſe Lebensart, die unter unverheyratheten Leuten aller Staͤnde uͤberaus allgemein iſt, fuͤhrt ſchlechterdings nichts Veraͤchtliches mit ſich. Der Aufwand in der Kleidung den ſie nothwendig macht und das Spiel zu welchem ſie verleitet, wie- gen den Vortheil auf, den das Paraſitenleben fuͤr den Beutel hervorbringen koͤnnte. Hiezu kommt das Beduͤrfniß der Geſellſchaft, wel- ches die mehreſten Petersburger ſo lebhaft empfinden. Wenn alle unverheyrathete Maͤn- ner ihre eigne Kuͤche halten oder in Gaſthoͤfen ſpeiſen wollten, ſo wuͤrde der groͤßte Theil der guten Haͤuſer oͤde und leer ſeyn. Kein fuͤrch-
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folgt, ſo iſt es rathſam, eine ſolche Bekannt-
ſchaft nicht zu kultiviren. Iſt der Gaſt dem
Wirthe angenehm, ſo zeigt dieſer Jenem zu
Ende des erſten Beſuchs ſeine Geſellſchafts-
tage an, wenn er welche haͤlt, oder bittet ihn,
ſein Haus recht oft zu beſuchen. Ein junger
Mann der nur einiges Talent fuͤr die Geſell-
ſchaft hat, ſieht ſich in Petersburg der Sorge
fuͤr ſeine Wirthſchaft ganz uͤberhoben; wer in
ſechs bis acht guten Haͤuſern bekannt iſt, kann
taͤglich auf Koſten ſeiner Freunde und in ſehr
angenehmen Zirkeln ſpeiſen. Dieſe Lebensart,
die unter unverheyratheten Leuten aller Staͤnde
uͤberaus allgemein iſt, fuͤhrt ſchlechterdings
nichts Veraͤchtliches mit ſich. Der Aufwand
in der Kleidung den ſie nothwendig macht
und das Spiel zu welchem ſie verleitet, wie-
gen den Vortheil auf, den das Paraſitenleben
fuͤr den Beutel hervorbringen koͤnnte. Hiezu
kommt das Beduͤrfniß der Geſellſchaft, wel-
ches die mehreſten Petersburger ſo lebhaft
empfinden. Wenn alle unverheyrathete Maͤn-
ner ihre eigne Kuͤche halten oder in Gaſthoͤfen
ſpeiſen wollten, ſo wuͤrde der groͤßte Theil der
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/439>, abgerufen am 23.11.2024.
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