die Gassen rollen, um neue Putzhändlerinnen aufzufinden und Morgenbesuche zu machen. Der Stutzer, dies zweydeutige Geschöpf, das von keinem Geschlecht ausgeschlossen werden darf und zu keinem gehört, promenirt unter- dessen durch Buchläden und Magasins, um für die Gesellschaft des Tages neumodische Nippes und Gedanken zu sammeln. Im Frühling und Herbst werden die Kays und der Sommergarten das Rendezvous der müssigen Welt aus den höheren Ständen.
Unter diesen mannigfaltigen Beschäftigun- gen rückt die Mittagsstunde heran, und jeder Zweck, jedes Interesse verschmilzt in dem kos- mopolitischen Gedanken: zu schmausen und schmausen zu lassen. Jetzt setzt sich das zahl- reiche Heer der dineurs en ville in Bewe- gung und die Gesellschaftssäle füllen sich an. In den meisten Häusern setzt man sich um zwey Uhr zur Tafel; einzelne Kaufleute spei- sen vor, die mehresten aber nach der Börse, das heißt, zwischen drey und vier Uhr Nach- mittags. Engländer und die für solche gelten wollen, halten ihre Mittagstafel auch wol Abends um fünf; so daß man gar füglich an
die Gaſſen rollen, um neue Putzhaͤndlerinnen aufzufinden und Morgenbeſuche zu machen. Der Stutzer, dies zweydeutige Geſchoͤpf, das von keinem Geſchlecht ausgeſchloſſen werden darf und zu keinem gehoͤrt, promenirt unter- deſſen durch Buchlaͤden und Magaſins, um fuͤr die Geſellſchaft des Tages neumodiſche Nippes und Gedanken zu ſammeln. Im Fruͤhling und Herbſt werden die Kays und der Sommergarten das Rendezvous der muͤſſigen Welt aus den hoͤheren Staͤnden.
Unter dieſen mannigfaltigen Beſchaͤftigun- gen ruͤckt die Mittagsſtunde heran, und jeder Zweck, jedes Intereſſe verſchmilzt in dem kos- mopolitiſchen Gedanken: zu ſchmauſen und ſchmauſen zu laſſen. Jetzt ſetzt ſich das zahl- reiche Heer der dineurs en ville in Bewe- gung und die Geſellſchaftsſaͤle fuͤllen ſich an. In den meiſten Haͤuſern ſetzt man ſich um zwey Uhr zur Tafel; einzelne Kaufleute ſpei- ſen vor, die mehreſten aber nach der Boͤrſe, das heißt, zwiſchen drey und vier Uhr Nach- mittags. Englaͤnder und die fuͤr ſolche gelten wollen, halten ihre Mittagstafel auch wol Abends um fuͤnf; ſo daß man gar fuͤglich an
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die Gaſſen rollen, um neue Putzhaͤndlerinnen
aufzufinden und Morgenbeſuche zu machen.
Der Stutzer, dies zweydeutige Geſchoͤpf, das
von keinem Geſchlecht ausgeſchloſſen werden
darf und zu keinem gehoͤrt, promenirt unter-
deſſen durch Buchlaͤden und Magaſins, um
fuͤr die Geſellſchaft des Tages neumodiſche
Nippes und Gedanken zu ſammeln. Im
Fruͤhling und Herbſt werden die Kays und der
Sommergarten das Rendezvous der muͤſſigen
Welt aus den hoͤheren Staͤnden.
Unter dieſen mannigfaltigen Beſchaͤftigun-
gen ruͤckt die Mittagsſtunde heran, und jeder
Zweck, jedes Intereſſe verſchmilzt in dem kos-
mopolitiſchen Gedanken: zu ſchmauſen und
ſchmauſen zu laſſen. Jetzt ſetzt ſich das zahl-
reiche Heer der dineurs en ville in Bewe-
gung und die Geſellſchaftsſaͤle fuͤllen ſich an.
In den meiſten Haͤuſern ſetzt man ſich um
zwey Uhr zur Tafel; einzelne Kaufleute ſpei-
ſen vor, die mehreſten aber nach der Boͤrſe,
das heißt, zwiſchen drey und vier Uhr Nach-
mittags. Englaͤnder und die fuͤr ſolche gelten
wollen, halten ihre Mittagstafel auch wol
Abends um fuͤnf; ſo daß man gar fuͤglich an
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/432>, abgerufen am 23.11.2024.
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