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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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sonders unter dem Frauenzimmer, welches an
öffentlichen Orten zuweilen weder durch Form
noch Güte und Kostbarkeit seines Anzugs von
Damen aus den höhern Ständen unterschie-
den werden kann.

Bey dieser Lebensart (deren Schilderung
natürlich nur auf die wohlhabenden, aber un-
ter diesen auf die größte Anzahl paßt; denn
wenn es Einige giebt, die schlechter leben, so
giebt es auch Mehrere, die in Ton und Auf-
wand mit den besten Häusern des Mittelstan-
des wetteifern) erübrigt der Handwerker und
Künstler nicht selten so viel, daß er seinen
Kindern eine gute oder modische Erziehung
verschaffen und ihnen ein anständiges Erbtheil
hinterlassen kann; ein Fall der gewiß noch
weit häufiger seyn würde, als er ist, wenn die
Mehresten nicht ihren ganzen Gewinn dem
augenblicklichen Genuß aufopferten. Selten
oder niemals bestimmt der wohlhabende Hand-
werker seinen Sohn zu dem nützlichen Ge-
werbe, welchem er seinen Wohlstand verdankt;
ein mißverstandner Ehrgeiz spornt ihn an, sich
wenigstens in seinen Kindern zu einer dem An-
schein nach geachtetern Klasse der bürgerlichen

Zweiter Theil. B b

ſonders unter dem Frauenzimmer, welches an
oͤffentlichen Orten zuweilen weder durch Form
noch Guͤte und Koſtbarkeit ſeines Anzugs von
Damen aus den hoͤhern Staͤnden unterſchie-
den werden kann.

Bey dieſer Lebensart (deren Schilderung
natuͤrlich nur auf die wohlhabenden, aber un-
ter dieſen auf die groͤßte Anzahl paßt; denn
wenn es Einige giebt, die ſchlechter leben, ſo
giebt es auch Mehrere, die in Ton und Auf-
wand mit den beſten Haͤuſern des Mittelſtan-
des wetteifern) eruͤbrigt der Handwerker und
Kuͤnſtler nicht ſelten ſo viel, daß er ſeinen
Kindern eine gute oder modiſche Erziehung
verſchaffen und ihnen ein anſtaͤndiges Erbtheil
hinterlaſſen kann; ein Fall der gewiß noch
weit haͤufiger ſeyn wuͤrde, als er iſt, wenn die
Mehreſten nicht ihren ganzen Gewinn dem
augenblicklichen Genuß aufopferten. Selten
oder niemals beſtimmt der wohlhabende Hand-
werker ſeinen Sohn zu dem nuͤtzlichen Ge-
werbe, welchem er ſeinen Wohlſtand verdankt;
ein mißverſtandner Ehrgeiz ſpornt ihn an, ſich
wenigſtens in ſeinen Kindern zu einer dem An-
ſchein nach geachtetern Klaſſe der buͤrgerlichen

Zweiter Theil. B b
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[385/0403] ſonders unter dem Frauenzimmer, welches an oͤffentlichen Orten zuweilen weder durch Form noch Guͤte und Koſtbarkeit ſeines Anzugs von Damen aus den hoͤhern Staͤnden unterſchie- den werden kann. Bey dieſer Lebensart (deren Schilderung natuͤrlich nur auf die wohlhabenden, aber un- ter dieſen auf die groͤßte Anzahl paßt; denn wenn es Einige giebt, die ſchlechter leben, ſo giebt es auch Mehrere, die in Ton und Auf- wand mit den beſten Haͤuſern des Mittelſtan- des wetteifern) eruͤbrigt der Handwerker und Kuͤnſtler nicht ſelten ſo viel, daß er ſeinen Kindern eine gute oder modiſche Erziehung verſchaffen und ihnen ein anſtaͤndiges Erbtheil hinterlaſſen kann; ein Fall der gewiß noch weit haͤufiger ſeyn wuͤrde, als er iſt, wenn die Mehreſten nicht ihren ganzen Gewinn dem augenblicklichen Genuß aufopferten. Selten oder niemals beſtimmt der wohlhabende Hand- werker ſeinen Sohn zu dem nuͤtzlichen Ge- werbe, welchem er ſeinen Wohlſtand verdankt; ein mißverſtandner Ehrgeiz ſpornt ihn an, ſich wenigſtens in ſeinen Kindern zu einer dem An- ſchein nach geachtetern Klaſſe der buͤrgerlichen Zweiter Theil. B b

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/403>, abgerufen am 18.05.2024.