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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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starke Getränke, und er erwirbt sich oft hie-
rinn einen Takt, der dem feinsten Dilettanten
aus den höhern Ständen Ehre machen würde.
Das arme Volk kann diese guten Anlagen
freylich nur durch den Branntwein kultiviren:
aber wer Etwas mehr zu verzehren hat, legt
sich auch auf die Kenntniß ausländischer Biere
und Weine. Die Konsumtion dieser Getränke
ist in den Gasthäusern, die von den niedrig-
sten Volksklassen besucht werden, sehr groß,
und ich habe selbst einmal bey einer öffentli-
chen Gelegenheit, wo das Publikum zahlreich
versammelt war, einen Haufen Iswoschschtiki
einige Dutzend Bouteillen Porter unter sich
ausleeren sehn.

Obgleich das gemeine Volk sich gerne und
früh verheyrathet, so haben doch nur die We-
nigsten ihre Weiber bey sich, wenn sie in der
Residenz leben. Da ein großer Theil derselben
auch keine eigentliche Wohnung hat, und
Viele, ihres Gewerbes wegen, den ganzen
Tag auf der Gasse oder weit von ihrer Hey-
math zubringen müssen, so hat die Industrie
ihrer Mitbrüder dafür gesorgt, daß sie überall,
an allen Gassenecken, auf allen Plätzen, ihren

ſtarke Getraͤnke, und er erwirbt ſich oft hie-
rinn einen Takt, der dem feinſten Dilettanten
aus den hoͤhern Staͤnden Ehre machen wuͤrde.
Das arme Volk kann dieſe guten Anlagen
freylich nur durch den Branntwein kultiviren:
aber wer Etwas mehr zu verzehren hat, legt
ſich auch auf die Kenntniß auslaͤndiſcher Biere
und Weine. Die Konſumtion dieſer Getraͤnke
iſt in den Gaſthaͤuſern, die von den niedrig-
ſten Volksklaſſen beſucht werden, ſehr groß,
und ich habe ſelbſt einmal bey einer oͤffentli-
chen Gelegenheit, wo das Publikum zahlreich
verſammelt war, einen Haufen Iswoſchſchtiki
einige Dutzend Bouteillen Porter unter ſich
ausleeren ſehn.

Obgleich das gemeine Volk ſich gerne und
fruͤh verheyrathet, ſo haben doch nur die We-
nigſten ihre Weiber bey ſich, wenn ſie in der
Reſidenz leben. Da ein großer Theil derſelben
auch keine eigentliche Wohnung hat, und
Viele, ihres Gewerbes wegen, den ganzen
Tag auf der Gaſſe oder weit von ihrer Hey-
math zubringen muͤſſen, ſo hat die Induſtrie
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[370/0388] ſtarke Getraͤnke, und er erwirbt ſich oft hie- rinn einen Takt, der dem feinſten Dilettanten aus den hoͤhern Staͤnden Ehre machen wuͤrde. Das arme Volk kann dieſe guten Anlagen freylich nur durch den Branntwein kultiviren: aber wer Etwas mehr zu verzehren hat, legt ſich auch auf die Kenntniß auslaͤndiſcher Biere und Weine. Die Konſumtion dieſer Getraͤnke iſt in den Gaſthaͤuſern, die von den niedrig- ſten Volksklaſſen beſucht werden, ſehr groß, und ich habe ſelbſt einmal bey einer oͤffentli- chen Gelegenheit, wo das Publikum zahlreich verſammelt war, einen Haufen Iswoſchſchtiki einige Dutzend Bouteillen Porter unter ſich ausleeren ſehn. Obgleich das gemeine Volk ſich gerne und fruͤh verheyrathet, ſo haben doch nur die We- nigſten ihre Weiber bey ſich, wenn ſie in der Reſidenz leben. Da ein großer Theil derſelben auch keine eigentliche Wohnung hat, und Viele, ihres Gewerbes wegen, den ganzen Tag auf der Gaſſe oder weit von ihrer Hey- math zubringen muͤſſen, ſo hat die Induſtrie ihrer Mitbruͤder dafuͤr geſorgt, daß ſie uͤberall, an allen Gaſſenecken, auf allen Plaͤtzen, ihren

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/388>, abgerufen am 11.05.2024.