zu welchen ein Fremder, ohne Adressen, schwer- lich zudringen kann, und deren Ton, durch den Mangel einer hinlänglichen Mischung der Ka- raktere und Stände, ein etwas einförmiges Gepräge erhält. Man findet es unanständig öffentliche Häuser zu besuchen; Leute von einem gewissen Ansehn, Familienväter, Staatsbe- diente, reiche Kaufleute gehen nie in ein Kaffee- haus. Frauenzimmer vollends dürfen öffent- liche Oerter nur unter sehr großen Einschrän- kungen besuchen; aus den meisten derselben sind sie durch die Gesetze und Einrichtungen förmlich verbannt. Daher kommt es, daß Häuser die dem öffentlichen Vergnügen ge- widmet sind, hier nicht gedeihen, selbst wenn sie mit Aufwand und Geschmack, oder unter dem Schutz eines Großen angelegt werden.
Um sich für den Mangel derselben schadlos zu halten, haben die Petersburger eine Menge Klubbs errichtet, die nach der Zahl und dem Rang ihrer Mitglieder in größerm oder ge- ringerem Ansehen stehen. Auch dies sind nicht nur geschlossene sondern sogar ausgesuchte Zir- kel, in denen jedes Mitglied Leute seines Stan des, seiner Denkungsart und seiner Bekannt-
zu welchen ein Fremder, ohne Adreſſen, ſchwer- lich zudringen kann, und deren Ton, durch den Mangel einer hinlaͤnglichen Miſchung der Ka- raktere und Staͤnde, ein etwas einfoͤrmiges Gepraͤge erhaͤlt. Man findet es unanſtaͤndig oͤffentliche Haͤuſer zu beſuchen; Leute von einem gewiſſen Anſehn, Familienvaͤter, Staatsbe- diente, reiche Kaufleute gehen nie in ein Kaffee- haus. Frauenzimmer vollends duͤrfen oͤffent- liche Oerter nur unter ſehr großen Einſchraͤn- kungen beſuchen; aus den meiſten derſelben ſind ſie durch die Geſetze und Einrichtungen foͤrmlich verbannt. Daher kommt es, daß Haͤuſer die dem oͤffentlichen Vergnuͤgen ge- widmet ſind, hier nicht gedeihen, ſelbſt wenn ſie mit Aufwand und Geſchmack, oder unter dem Schutz eines Großen angelegt werden.
Um ſich fuͤr den Mangel derſelben ſchadlos zu halten, haben die Petersburger eine Menge Klubbs errichtet, die nach der Zahl und dem Rang ihrer Mitglieder in groͤßerm oder ge- ringerem Anſehen ſtehen. Auch dies ſind nicht nur geſchloſſene ſondern ſogar ausgeſuchte Zir- kel, in denen jedes Mitglied Leute ſeines Stan des, ſeiner Denkungsart und ſeiner Bekannt-
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zu welchen ein Fremder, ohne Adreſſen, ſchwer-
lich zudringen kann, und deren Ton, durch den
Mangel einer hinlaͤnglichen Miſchung der Ka-
raktere und Staͤnde, ein etwas einfoͤrmiges
Gepraͤge erhaͤlt. Man findet es unanſtaͤndig
oͤffentliche Haͤuſer zu beſuchen; Leute von einem
gewiſſen Anſehn, Familienvaͤter, Staatsbe-
diente, reiche Kaufleute gehen nie in ein Kaffee-
haus. Frauenzimmer vollends duͤrfen oͤffent-
liche Oerter nur unter ſehr großen Einſchraͤn-
kungen beſuchen; aus den meiſten derſelben
ſind ſie durch die Geſetze und Einrichtungen
foͤrmlich verbannt. Daher kommt es, daß
Haͤuſer die dem oͤffentlichen Vergnuͤgen ge-
widmet ſind, hier nicht gedeihen, ſelbſt wenn
ſie mit Aufwand und Geſchmack, oder unter
dem Schutz eines Großen angelegt werden.
Um ſich fuͤr den Mangel derſelben ſchadlos
zu halten, haben die Petersburger eine Menge
Klubbs errichtet, die nach der Zahl und dem
Rang ihrer Mitglieder in groͤßerm oder ge-
ringerem Anſehen ſtehen. Auch dies ſind nicht
nur geſchloſſene ſondern ſogar ausgeſuchte Zir-
kel, in denen jedes Mitglied Leute ſeines Stan
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/303>, abgerufen am 23.11.2024.
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