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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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noch in dem Mangel an Unternehmern: son-
dern in dem herrschenden Ton, der sich gegen
eine öffentliche und uneingeschränkte Theilnah-
me sträubt. In allen großen Städten die ich
kenne, ist dies so sehr der entgegengesetzte Fall,
daß sie gerade hierinn sich auf eine karakteri-
stische Weise von kleinern Oertern unterschie-
den. In Paris, London, Berlin und Wien
liebt man vorzüglich solche Belustigungen an
denen Jedermann, ohne Einschränkung, Theil
nehmen kann. Fast alle Arten von Ergötzun-
gen sind öffentlich, das heißt, stehen unter ge-
wissen Bedingungen Jedermann frey. Der
Genuß derselben ist mit verhältnißmäßig sehr
geringen Kosten verknüpft, und wird eben
durch die Theilnahme einer großen Menge
Menschen um vieles erhöht. Das weibliche
Geschlecht ist bey allen Vergnügungen unent-
behrlich, und mildert durch seine Gegenwart
den allzustrengen oder rauhen Ton, in der auch
die bestgewählteste Gesellschaft von Männern
leicht verfällt. In St. Petersburg trifft fast
von allem diesem das Gegentheil zu. Die so-
genannte gute Gesellschaft zieht sich in Fami-
lienkreise, Cercles, Klubbs, u. s. w. zusammen,

noch in dem Mangel an Unternehmern: ſon-
dern in dem herrſchenden Ton, der ſich gegen
eine oͤffentliche und uneingeſchraͤnkte Theilnah-
me ſtraͤubt. In allen großen Staͤdten die ich
kenne, iſt dies ſo ſehr der entgegengeſetzte Fall,
daß ſie gerade hierinn ſich auf eine karakteri-
ſtiſche Weiſe von kleinern Oertern unterſchie-
den. In Paris, London, Berlin und Wien
liebt man vorzuͤglich ſolche Beluſtigungen an
denen Jedermann, ohne Einſchraͤnkung, Theil
nehmen kann. Faſt alle Arten von Ergoͤtzun-
gen ſind oͤffentlich, das heißt, ſtehen unter ge-
wiſſen Bedingungen Jedermann frey. Der
Genuß derſelben iſt mit verhaͤltnißmaͤßig ſehr
geringen Koſten verknuͤpft, und wird eben
durch die Theilnahme einer großen Menge
Menſchen um vieles erhoͤht. Das weibliche
Geſchlecht iſt bey allen Vergnuͤgungen unent-
behrlich, und mildert durch ſeine Gegenwart
den allzuſtrengen oder rauhen Ton, in der auch
die beſtgewaͤhlteſte Geſellſchaft von Maͤnnern
leicht verfaͤllt. In St. Petersburg trifft faſt
von allem dieſem das Gegentheil zu. Die ſo-
genannte gute Geſellſchaft zieht ſich in Fami-
lienkreiſe, Cercles, Klubbs, u. ſ. w. zuſammen,

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[284/0302] noch in dem Mangel an Unternehmern: ſon- dern in dem herrſchenden Ton, der ſich gegen eine oͤffentliche und uneingeſchraͤnkte Theilnah- me ſtraͤubt. In allen großen Staͤdten die ich kenne, iſt dies ſo ſehr der entgegengeſetzte Fall, daß ſie gerade hierinn ſich auf eine karakteri- ſtiſche Weiſe von kleinern Oertern unterſchie- den. In Paris, London, Berlin und Wien liebt man vorzuͤglich ſolche Beluſtigungen an denen Jedermann, ohne Einſchraͤnkung, Theil nehmen kann. Faſt alle Arten von Ergoͤtzun- gen ſind oͤffentlich, das heißt, ſtehen unter ge- wiſſen Bedingungen Jedermann frey. Der Genuß derſelben iſt mit verhaͤltnißmaͤßig ſehr geringen Koſten verknuͤpft, und wird eben durch die Theilnahme einer großen Menge Menſchen um vieles erhoͤht. Das weibliche Geſchlecht iſt bey allen Vergnuͤgungen unent- behrlich, und mildert durch ſeine Gegenwart den allzuſtrengen oder rauhen Ton, in der auch die beſtgewaͤhlteſte Geſellſchaft von Maͤnnern leicht verfaͤllt. In St. Petersburg trifft faſt von allem dieſem das Gegentheil zu. Die ſo- genannte gute Geſellſchaft zieht ſich in Fami- lienkreiſe, Cercles, Klubbs, u. ſ. w. zuſammen,

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/302>, abgerufen am 23.11.2024.