Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Belustigung genießt, das Auffallende und Son-
derbare der Spiele selbst, geben diesem Volks-
fest einen so eigenthümlichen Karakter, daß der
Beobachter, der sich die Mühe nehmen will,
die Nation auch auf diesem Tummelplatz ih-
res Vergnügens zu studiren, sehr kräftige
Pinselstriche zu ihrer Schilderung auffinden
kann. Er wird die allgemeine Fröhlichkeit nicht
verkennen, mit welcher Alte und Junge, Kin-
der und Greise beseelt sind, und die hier nicht
auf einen vorübergehenden Augenblick erweckt,
sondern durch eine angenehme Veranlassung
gehoben und in ihr gefälligstes Licht gestellt ist.
Er wird den Geist der Höflichkeit und Galan-
terie bemerken, der sich in tausend kleinen Zü-
gen, als eine nicht gleichgültige Schattirung
im Nationalkarakter, malt. Hier grüßen sich
ein paar mit Lumpen behangene Bettler auf
die ehrerbietigste und anständigste Weise; eine
lange Reihe von Fragen über das wechselsei-
tige Wohlseyn eröfnet ihren Dialog, der sich
ebenfalls mit einer höflichen Umarmung schließt.
Dort bietet ein junger Kerl seiner von
Schminke und Branntwein glühenden Dirne
die Hand, um sie in den Sessel zu geleiten,

S 4

Beluſtigung genießt, das Auffallende und Son-
derbare der Spiele ſelbſt, geben dieſem Volks-
feſt einen ſo eigenthuͤmlichen Karakter, daß der
Beobachter, der ſich die Muͤhe nehmen will,
die Nation auch auf dieſem Tummelplatz ih-
res Vergnuͤgens zu ſtudiren, ſehr kraͤftige
Pinſelſtriche zu ihrer Schilderung auffinden
kann. Er wird die allgemeine Froͤhlichkeit nicht
verkennen, mit welcher Alte und Junge, Kin-
der und Greiſe beſeelt ſind, und die hier nicht
auf einen voruͤbergehenden Augenblick erweckt,
ſondern durch eine angenehme Veranlaſſung
gehoben und in ihr gefaͤlligſtes Licht geſtellt iſt.
Er wird den Geiſt der Hoͤflichkeit und Galan-
terie bemerken, der ſich in tauſend kleinen Zuͤ-
gen, als eine nicht gleichguͤltige Schattirung
im Nationalkarakter, malt. Hier gruͤßen ſich
ein paar mit Lumpen behangene Bettler auf
die ehrerbietigſte und anſtaͤndigſte Weiſe; eine
lange Reihe von Fragen uͤber das wechſelſei-
tige Wohlſeyn eroͤfnet ihren Dialog, der ſich
ebenfalls mit einer hoͤflichen Umarmung ſchließt.
Dort bietet ein junger Kerl ſeiner von
Schminke und Branntwein gluͤhenden Dirne
die Hand, um ſie in den Seſſel zu geleiten,

S 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0297" n="279"/>
Belu&#x017F;tigung genießt, das Auffallende und Son-<lb/>
derbare der Spiele &#x017F;elb&#x017F;t, geben die&#x017F;em Volks-<lb/>
fe&#x017F;t einen &#x017F;o eigenthu&#x0364;mlichen Karakter, daß der<lb/>
Beobachter, der &#x017F;ich die Mu&#x0364;he nehmen will,<lb/>
die Nation auch auf die&#x017F;em Tummelplatz ih-<lb/>
res Vergnu&#x0364;gens zu &#x017F;tudiren, &#x017F;ehr kra&#x0364;ftige<lb/>
Pin&#x017F;el&#x017F;triche zu ihrer Schilderung auffinden<lb/>
kann. Er wird die allgemeine Fro&#x0364;hlichkeit nicht<lb/>
verkennen, mit welcher Alte und Junge, Kin-<lb/>
der und Grei&#x017F;e be&#x017F;eelt &#x017F;ind, und die hier nicht<lb/>
auf einen voru&#x0364;bergehenden Augenblick erweckt,<lb/>
&#x017F;ondern durch eine angenehme Veranla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
gehoben und in ihr gefa&#x0364;llig&#x017F;tes Licht ge&#x017F;tellt i&#x017F;t.<lb/>
Er wird den Gei&#x017F;t der Ho&#x0364;flichkeit und Galan-<lb/>
terie bemerken, der &#x017F;ich in tau&#x017F;end kleinen Zu&#x0364;-<lb/>
gen, als eine nicht gleichgu&#x0364;ltige Schattirung<lb/>
im Nationalkarakter, malt. Hier gru&#x0364;ßen &#x017F;ich<lb/>
ein paar mit Lumpen behangene Bettler auf<lb/>
die ehrerbietig&#x017F;te und an&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te Wei&#x017F;e; eine<lb/>
lange Reihe von Fragen u&#x0364;ber das wech&#x017F;el&#x017F;ei-<lb/>
tige Wohl&#x017F;eyn ero&#x0364;fnet ihren Dialog, der &#x017F;ich<lb/>
ebenfalls mit einer ho&#x0364;flichen Umarmung &#x017F;chließt.<lb/>
Dort bietet ein junger Kerl &#x017F;einer von<lb/>
Schminke und Branntwein glu&#x0364;henden Dirne<lb/>
die Hand, um &#x017F;ie in den Se&#x017F;&#x017F;el zu geleiten,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0297] Beluſtigung genießt, das Auffallende und Son- derbare der Spiele ſelbſt, geben dieſem Volks- feſt einen ſo eigenthuͤmlichen Karakter, daß der Beobachter, der ſich die Muͤhe nehmen will, die Nation auch auf dieſem Tummelplatz ih- res Vergnuͤgens zu ſtudiren, ſehr kraͤftige Pinſelſtriche zu ihrer Schilderung auffinden kann. Er wird die allgemeine Froͤhlichkeit nicht verkennen, mit welcher Alte und Junge, Kin- der und Greiſe beſeelt ſind, und die hier nicht auf einen voruͤbergehenden Augenblick erweckt, ſondern durch eine angenehme Veranlaſſung gehoben und in ihr gefaͤlligſtes Licht geſtellt iſt. Er wird den Geiſt der Hoͤflichkeit und Galan- terie bemerken, der ſich in tauſend kleinen Zuͤ- gen, als eine nicht gleichguͤltige Schattirung im Nationalkarakter, malt. Hier gruͤßen ſich ein paar mit Lumpen behangene Bettler auf die ehrerbietigſte und anſtaͤndigſte Weiſe; eine lange Reihe von Fragen uͤber das wechſelſei- tige Wohlſeyn eroͤfnet ihren Dialog, der ſich ebenfalls mit einer hoͤflichen Umarmung ſchließt. Dort bietet ein junger Kerl ſeiner von Schminke und Branntwein gluͤhenden Dirne die Hand, um ſie in den Seſſel zu geleiten, S 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/297
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/297>, abgerufen am 11.05.2024.