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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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seinen Dollmetschungen den Zusammenhang zu
finden, den er mit der größten Anstrengung
hineinzulegen strebte. Um den Nachdruck und
die Eigenthümlichkeiten des Originals zu errei-
chen, hatte er eine Menge neuer Worte ge-
schaffen, die bey aller Sonderbarkeit ihres
Gepräges zuweilen überaus karakteristisch, wie-
wohl nicht selten auch völlig unverständlich wa-
ren. Einer meiner gelehrten Freunde hier in
St. Petersburg hat itzt ein Manuscript von
ihm in Händen, welches die Uebersetzung einer
mongolischen Schrift enthält, die vielleicht der-
einst im Publikum erscheinen wird, wenn der
Versuch, den oft sehr räthselhaften Sinn zu
entziffern, gelingen sollte. Nach einem kurzen
Aufenthalt in der Residenz, während welchem
Jährig sich verheyrathet hatte, zog er wie-
der zu seinen geliebten Mongolen zurück, um
den Rest seines Lebens unter ihnen zu verle-
ben. Bey seiner Abreise faßte er einen Ent-
schluß, der für die Kultur dieses Volks sehr
merkwürdig werden kann. Er nahm eine
Sammlung von guten Büchern aus verschie-
denen Fächern der Wissenschaften mit sich, um
sie dort zu übersetzen und unter den Mongolen

ſeinen Dollmetſchungen den Zuſammenhang zu
finden, den er mit der groͤßten Anſtrengung
hineinzulegen ſtrebte. Um den Nachdruck und
die Eigenthuͤmlichkeiten des Originals zu errei-
chen, hatte er eine Menge neuer Worte ge-
ſchaffen, die bey aller Sonderbarkeit ihres
Gepraͤges zuweilen uͤberaus karakteriſtiſch, wie-
wohl nicht ſelten auch voͤllig unverſtaͤndlich wa-
ren. Einer meiner gelehrten Freunde hier in
St. Petersburg hat itzt ein Manuſcript von
ihm in Haͤnden, welches die Ueberſetzung einer
mongoliſchen Schrift enthaͤlt, die vielleicht der-
einſt im Publikum erſcheinen wird, wenn der
Verſuch, den oft ſehr raͤthſelhaften Sinn zu
entziffern, gelingen ſollte. Nach einem kurzen
Aufenthalt in der Reſidenz, waͤhrend welchem
Jaͤhrig ſich verheyrathet hatte, zog er wie-
der zu ſeinen geliebten Mongolen zuruͤck, um
den Reſt ſeines Lebens unter ihnen zu verle-
ben. Bey ſeiner Abreiſe faßte er einen Ent-
ſchluß, der fuͤr die Kultur dieſes Volks ſehr
merkwuͤrdig werden kann. Er nahm eine
Sammlung von guten Buͤchern aus verſchie-
denen Faͤchern der Wiſſenſchaften mit ſich, um
ſie dort zu uͤberſetzen und unter den Mongolen

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[104/0120] ſeinen Dollmetſchungen den Zuſammenhang zu finden, den er mit der groͤßten Anſtrengung hineinzulegen ſtrebte. Um den Nachdruck und die Eigenthuͤmlichkeiten des Originals zu errei- chen, hatte er eine Menge neuer Worte ge- ſchaffen, die bey aller Sonderbarkeit ihres Gepraͤges zuweilen uͤberaus karakteriſtiſch, wie- wohl nicht ſelten auch voͤllig unverſtaͤndlich wa- ren. Einer meiner gelehrten Freunde hier in St. Petersburg hat itzt ein Manuſcript von ihm in Haͤnden, welches die Ueberſetzung einer mongoliſchen Schrift enthaͤlt, die vielleicht der- einſt im Publikum erſcheinen wird, wenn der Verſuch, den oft ſehr raͤthſelhaften Sinn zu entziffern, gelingen ſollte. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Reſidenz, waͤhrend welchem Jaͤhrig ſich verheyrathet hatte, zog er wie- der zu ſeinen geliebten Mongolen zuruͤck, um den Reſt ſeines Lebens unter ihnen zu verle- ben. Bey ſeiner Abreiſe faßte er einen Ent- ſchluß, der fuͤr die Kultur dieſes Volks ſehr merkwuͤrdig werden kann. Er nahm eine Sammlung von guten Buͤchern aus verſchie- denen Faͤchern der Wiſſenſchaften mit ſich, um ſie dort zu uͤberſetzen und unter den Mongolen

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/120>, abgerufen am 02.05.2024.