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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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in der Neva. Peter hatte Anfangs diese Stelle
nur zur Errichtung einer Schanze bestimmt, um
die Mündung des Flusses zu decken; das Schick-
sal schien ihm einen Wink über die künftige hö-
here und nützlichere Bestimmung derselben zu ge-
ben, und Peter verstand diesen Wink. Er eil-
te den Führer des Schiffs, einem Holländer, ent-
gegen, bewillkommte ihn freundlich, kaufte ihm
seine Ladung ab und ermunterte ihn, jährlich ein-
mal wieder zu kommen, um sich eine Belohnung
zu holen, die ihm auch bis auf seine letzte Reise
ausgezahlt ward.

Von diesem Zeitpunkt bis zu der Epoke der
glänzendsten Vollendung durch Katharina die
Zweyte
ist nur ein Zeitraum von achtzig Jahren,
die Dauer eines Menschenlebens, verflossen. Im
Jahr 1782 errichtete diese Fürstinn ihrem Vor-
gänger das berühmte Monument, dessen Darstel-
lung wir auf dem Titelblatte des zweyten Theils
erblicken. Alle die unzähligen Denkmahle, mit
welchen Katharina sich und ihrem Ahnherrn
die Unsterblichkeit sicherte, auf einem so begrenz-
ten Umfange auch nur symbolisch andeuten zu
wollen, hieße die Kunst und ihren Gegenstand her-
abwürdigen; dieses große Süjet faßt sie alle.
Der außerordentlichste Mann seines Volks mußte
auf eine außerordentliche Art verewigt werden.
Ein seltner Künstler, eine sublime Idee, ungeheu-
re Anstrengungen und die Schätze der freygebig-
sten Monarchinn vereinigten sich zu diesem End-
zweck, selbst die Natur schafte aus ihrer geheimen
Werkstatt eine riesenmäßige Masse herbey. Am

in der Neva. Peter hatte Anfangs dieſe Stelle
nur zur Errichtung einer Schanze beſtimmt, um
die Muͤndung des Fluſſes zu decken; das Schick-
ſal ſchien ihm einen Wink uͤber die kuͤnftige hoͤ-
here und nuͤtzlichere Beſtimmung derſelben zu ge-
ben, und Peter verſtand dieſen Wink. Er eil-
te den Fuͤhrer des Schiffs, einem Hollaͤnder, ent-
gegen, bewillkommte ihn freundlich, kaufte ihm
ſeine Ladung ab und ermunterte ihn, jaͤhrlich ein-
mal wieder zu kommen, um ſich eine Belohnung
zu holen, die ihm auch bis auf ſeine letzte Reiſe
ausgezahlt ward.

Von dieſem Zeitpunkt bis zu der Epoke der
glaͤnzendſten Vollendung durch Katharina die
Zweyte
iſt nur ein Zeitraum von achtzig Jahren,
die Dauer eines Menſchenlebens, verfloſſen. Im
Jahr 1782 errichtete dieſe Fuͤrſtinn ihrem Vor-
gaͤnger das beruͤhmte Monument, deſſen Darſtel-
lung wir auf dem Titelblatte des zweyten Theils
erblicken. Alle die unzaͤhligen Denkmahle, mit
welchen Katharina ſich und ihrem Ahnherrn
die Unſterblichkeit ſicherte, auf einem ſo begrenz-
ten Umfange auch nur ſymboliſch andeuten zu
wollen, hieße die Kunſt und ihren Gegenſtand her-
abwuͤrdigen; dieſes große Suͤjet faßt ſie alle.
Der außerordentlichſte Mann ſeines Volks mußte
auf eine außerordentliche Art verewigt werden.
Ein ſeltner Kuͤnſtler, eine ſublime Idee, ungeheu-
re Anſtrengungen und die Schaͤtze der freygebig-
ſten Monarchinn vereinigten ſich zu dieſem End-
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Werkſtatt eine rieſenmaͤßige Maſſe herbey. Am

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[XV/0025] in der Neva. Peter hatte Anfangs dieſe Stelle nur zur Errichtung einer Schanze beſtimmt, um die Muͤndung des Fluſſes zu decken; das Schick- ſal ſchien ihm einen Wink uͤber die kuͤnftige hoͤ- here und nuͤtzlichere Beſtimmung derſelben zu ge- ben, und Peter verſtand dieſen Wink. Er eil- te den Fuͤhrer des Schiffs, einem Hollaͤnder, ent- gegen, bewillkommte ihn freundlich, kaufte ihm ſeine Ladung ab und ermunterte ihn, jaͤhrlich ein- mal wieder zu kommen, um ſich eine Belohnung zu holen, die ihm auch bis auf ſeine letzte Reiſe ausgezahlt ward. Von dieſem Zeitpunkt bis zu der Epoke der glaͤnzendſten Vollendung durch Katharina die Zweyte iſt nur ein Zeitraum von achtzig Jahren, die Dauer eines Menſchenlebens, verfloſſen. Im Jahr 1782 errichtete dieſe Fuͤrſtinn ihrem Vor- gaͤnger das beruͤhmte Monument, deſſen Darſtel- lung wir auf dem Titelblatte des zweyten Theils erblicken. Alle die unzaͤhligen Denkmahle, mit welchen Katharina ſich und ihrem Ahnherrn die Unſterblichkeit ſicherte, auf einem ſo begrenz- ten Umfange auch nur ſymboliſch andeuten zu wollen, hieße die Kunſt und ihren Gegenſtand her- abwuͤrdigen; dieſes große Suͤjet faßt ſie alle. Der außerordentlichſte Mann ſeines Volks mußte auf eine außerordentliche Art verewigt werden. Ein ſeltner Kuͤnſtler, eine ſublime Idee, ungeheu- re Anſtrengungen und die Schaͤtze der freygebig- ſten Monarchinn vereinigten ſich zu dieſem End- zweck, ſelbſt die Natur ſchafte aus ihrer geheimen Werkſtatt eine rieſenmaͤßige Maſſe herbey. Am

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/25>, abgerufen am 28.03.2024.