kann, in solchen Ländern, die keine eigentliche Konstitution haben, nur aus der Zusammen- stellung einer großen Menge einzelner Thatsa- chen, aus dem Geist der Regierungen, aus der Stimmung des Volks erkannt werden. Jene ist eine bestimmte Rubrik der Statistik: diese gehört in das Kapitel der Denkungsart, Meynungen und Sitten. --
In einem Lande, welches keinen Schatten von Verfassung hatte, in welchem alle die verwickelten Verhältnisse einer großen bürger- lichen Gesellschaft durch einzelne, deutungsfä- hige, sich oft widersprechende Verordnungen bestimmt, und diese der willkührlichen Ausle- gung einzelner Gerichtsstellen überlassen waren, in einem solchen Lande konnte die persönliche und bürgerliche Sicherheit sich weder einer rechtmäßig begründeten noch gesicherten Existenz erfreuen. In diesem Fall befand sich Rußland vor Peter dem Großen. Die mannigfal- tigen Anordnungen dieses weit über sein Zeit- alter erhabenen Fürsten beweisen, daß er den Mangel einer bürgerlichen Verfassung und die Nothwendigkeit einer festen Bestimmung der gesetzmäßigen persönlichen Sicherheit fühlte.
kann, in ſolchen Laͤndern, die keine eigentliche Konſtitution haben, nur aus der Zuſammen- ſtellung einer großen Menge einzelner Thatſa- chen, aus dem Geiſt der Regierungen, aus der Stimmung des Volks erkannt werden. Jene iſt eine beſtimmte Rubrik der Statiſtik: dieſe gehoͤrt in das Kapitel der Denkungsart, Meynungen und Sitten. —
In einem Lande, welches keinen Schatten von Verfaſſung hatte, in welchem alle die verwickelten Verhaͤltniſſe einer großen buͤrger- lichen Geſellſchaft durch einzelne, deutungsfaͤ- hige, ſich oft widerſprechende Verordnungen beſtimmt, und dieſe der willkuͤhrlichen Ausle- gung einzelner Gerichtsſtellen uͤberlaſſen waren, in einem ſolchen Lande konnte die perſoͤnliche und buͤrgerliche Sicherheit ſich weder einer rechtmaͤßig begruͤndeten noch geſicherten Exiſtenz erfreuen. In dieſem Fall befand ſich Rußland vor Peter dem Großen. Die mannigfal- tigen Anordnungen dieſes weit uͤber ſein Zeit- alter erhabenen Fuͤrſten beweiſen, daß er den Mangel einer buͤrgerlichen Verfaſſung und die Nothwendigkeit einer feſten Beſtimmung der geſetzmaͤßigen perſoͤnlichen Sicherheit fuͤhlte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0193"n="159"/>
kann, in ſolchen Laͤndern, die keine eigentliche<lb/>
Konſtitution haben, nur aus der Zuſammen-<lb/>ſtellung einer großen Menge einzelner Thatſa-<lb/>
chen, aus dem Geiſt der Regierungen, aus<lb/>
der Stimmung des Volks erkannt werden.<lb/>
Jene iſt eine beſtimmte Rubrik der Statiſtik:<lb/>
dieſe gehoͤrt in das Kapitel der Denkungsart,<lb/>
Meynungen und Sitten. —</p><lb/><p>In einem Lande, welches keinen Schatten<lb/>
von Verfaſſung hatte, in welchem alle die<lb/>
verwickelten Verhaͤltniſſe einer großen buͤrger-<lb/>
lichen Geſellſchaft durch einzelne, deutungsfaͤ-<lb/>
hige, ſich oft widerſprechende Verordnungen<lb/>
beſtimmt, und dieſe der willkuͤhrlichen Ausle-<lb/>
gung einzelner Gerichtsſtellen uͤberlaſſen waren,<lb/>
in einem ſolchen Lande konnte die perſoͤnliche<lb/>
und buͤrgerliche Sicherheit ſich weder einer<lb/>
rechtmaͤßig begruͤndeten noch geſicherten Exiſtenz<lb/>
erfreuen. In dieſem Fall befand ſich Rußland<lb/>
vor <hirendition="#g">Peter dem Großen</hi>. Die mannigfal-<lb/>
tigen Anordnungen dieſes weit uͤber ſein Zeit-<lb/>
alter erhabenen Fuͤrſten beweiſen, daß er den<lb/>
Mangel einer buͤrgerlichen Verfaſſung und die<lb/>
Nothwendigkeit einer feſten Beſtimmung der<lb/>
geſetzmaͤßigen perſoͤnlichen Sicherheit fuͤhlte.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[159/0193]
kann, in ſolchen Laͤndern, die keine eigentliche
Konſtitution haben, nur aus der Zuſammen-
ſtellung einer großen Menge einzelner Thatſa-
chen, aus dem Geiſt der Regierungen, aus
der Stimmung des Volks erkannt werden.
Jene iſt eine beſtimmte Rubrik der Statiſtik:
dieſe gehoͤrt in das Kapitel der Denkungsart,
Meynungen und Sitten. —
In einem Lande, welches keinen Schatten
von Verfaſſung hatte, in welchem alle die
verwickelten Verhaͤltniſſe einer großen buͤrger-
lichen Geſellſchaft durch einzelne, deutungsfaͤ-
hige, ſich oft widerſprechende Verordnungen
beſtimmt, und dieſe der willkuͤhrlichen Ausle-
gung einzelner Gerichtsſtellen uͤberlaſſen waren,
in einem ſolchen Lande konnte die perſoͤnliche
und buͤrgerliche Sicherheit ſich weder einer
rechtmaͤßig begruͤndeten noch geſicherten Exiſtenz
erfreuen. In dieſem Fall befand ſich Rußland
vor Peter dem Großen. Die mannigfal-
tigen Anordnungen dieſes weit uͤber ſein Zeit-
alter erhabenen Fuͤrſten beweiſen, daß er den
Mangel einer buͤrgerlichen Verfaſſung und die
Nothwendigkeit einer feſten Beſtimmung der
geſetzmaͤßigen perſoͤnlichen Sicherheit fuͤhlte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/193>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.