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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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im ganzen Norden statt haben soll, läßt sich
auch hier ohne physiognomische Seherey wahr-
nehmen. So schön die Formen auch seyn
mögen, in welche die hiesigen Menschengestal-
ten gegossen sind, so fehlt ihnen doch jener
scharfe bestimmte Kontour, welchen die bilden-
de Natur nur unter mildern Himmelsstrichen
mit so sichrer Hand zu zeichnen scheint. Auch
die edelsten Grundlinien dämmern nur aus üp-
pigen Fleischmassen hervor, in deren elastischen
Wölbungen sich die feinern Umrisse und das
sanfte Spiel der Muskeln verlieren. Wenn
diese Vorzüge für diese Mängel entschädi-
gen können, so sind wir entschädigt: denn
schöneres Fleisch, blendendere Haut und ver-
führerischeres Inkarnat sieht man wol nirgend.
Auch der Geschmack, der hier, wie überall,
die Gesetze des Schönen von den Modellen
seiner Natur abstrahirt, scheint diese Eigen-
schaften als die wesentlichsten Erfordernisse der
Schönheit anzuerkennen, und wahrscheinlich
würde das vollkommenste griechische Ideal in
unsern Zirkeln kein Glück machen, wenn es
unglücklicher Weise keine rothe Backen hätte,
und sich gerade nicht getrauen dürfte, gewisser

im ganzen Norden ſtatt haben ſoll, laͤßt ſich
auch hier ohne phyſiognomiſche Seherey wahr-
nehmen. So ſchoͤn die Formen auch ſeyn
moͤgen, in welche die hieſigen Menſchengeſtal-
ten gegoſſen ſind, ſo fehlt ihnen doch jener
ſcharfe beſtimmte Kontour, welchen die bilden-
de Natur nur unter mildern Himmelsſtrichen
mit ſo ſichrer Hand zu zeichnen ſcheint. Auch
die edelſten Grundlinien daͤmmern nur aus uͤp-
pigen Fleiſchmaſſen hervor, in deren elaſtiſchen
Woͤlbungen ſich die feinern Umriſſe und das
ſanfte Spiel der Muskeln verlieren. Wenn
dieſe Vorzuͤge fuͤr dieſe Maͤngel entſchaͤdi-
gen koͤnnen, ſo ſind wir entſchaͤdigt: denn
ſchoͤneres Fleiſch, blendendere Haut und ver-
fuͤhreriſcheres Inkarnat ſieht man wol nirgend.
Auch der Geſchmack, der hier, wie uͤberall,
die Geſetze des Schoͤnen von den Modellen
ſeiner Natur abſtrahirt, ſcheint dieſe Eigen-
ſchaften als die weſentlichſten Erforderniſſe der
Schoͤnheit anzuerkennen, und wahrſcheinlich
wuͤrde das vollkommenſte griechiſche Ideal in
unſern Zirkeln kein Gluͤck machen, wenn es
ungluͤcklicher Weiſe keine rothe Backen haͤtte,
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[123/0157] im ganzen Norden ſtatt haben ſoll, laͤßt ſich auch hier ohne phyſiognomiſche Seherey wahr- nehmen. So ſchoͤn die Formen auch ſeyn moͤgen, in welche die hieſigen Menſchengeſtal- ten gegoſſen ſind, ſo fehlt ihnen doch jener ſcharfe beſtimmte Kontour, welchen die bilden- de Natur nur unter mildern Himmelsſtrichen mit ſo ſichrer Hand zu zeichnen ſcheint. Auch die edelſten Grundlinien daͤmmern nur aus uͤp- pigen Fleiſchmaſſen hervor, in deren elaſtiſchen Woͤlbungen ſich die feinern Umriſſe und das ſanfte Spiel der Muskeln verlieren. Wenn dieſe Vorzuͤge fuͤr dieſe Maͤngel entſchaͤdi- gen koͤnnen, ſo ſind wir entſchaͤdigt: denn ſchoͤneres Fleiſch, blendendere Haut und ver- fuͤhreriſcheres Inkarnat ſieht man wol nirgend. Auch der Geſchmack, der hier, wie uͤberall, die Geſetze des Schoͤnen von den Modellen ſeiner Natur abſtrahirt, ſcheint dieſe Eigen- ſchaften als die weſentlichſten Erforderniſſe der Schoͤnheit anzuerkennen, und wahrſcheinlich wuͤrde das vollkommenſte griechiſche Ideal in unſern Zirkeln kein Gluͤck machen, wenn es ungluͤcklicher Weiſe keine rothe Backen haͤtte, und ſich gerade nicht getrauen duͤrfte, gewiſſer

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/157>, abgerufen am 24.11.2024.