Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
"Halt! nun sind wir an der Schwelle!" --
Rief der Deutsche, stieß ans Schloß;
Rasselnd sprang die Feder los,
Und sie sahn sie in der Zelle.
Von den Augen stürzt die helle,
Gottgeweihte Thränenquelle,
Fliesset, aus zerknirschtem Sinn,
Auf das ofne Psalmbuch hin.
"Ach! wie ist ihr Schicksal bitter!"
Ruft der Gast, und geht hinein.
Stracks führt' ihn an einen Schrein
Der gestrenge Deutsche Ritter.
Wie getroffen vom Gewitter
Sieht er, hinter einem Gitter,
O, wer hätte das geglaubt?
Ein Gerippe sonder Haupt.
„Halt! nun ſind wir an der Schwelle!„ —
Rief der Deutſche, ſtieß ans Schloß;
Raſſelnd ſprang die Feder los,
Und ſie ſahn ſie in der Zelle.
Von den Augen ſtuͤrzt die helle,
Gottgeweihte Thraͤnenquelle,
Flieſſet, aus zerknirſchtem Sinn,
Auf das ofne Pſalmbuch hin.
„Ach! wie iſt ihr Schickſal bitter!„
Ruft der Gaſt, und geht hinein.
Stracks fuͤhrt’ ihn an einen Schrein
Der geſtrenge Deutſche Ritter.
Wie getroffen vom Gewitter
Sieht er, hinter einem Gitter,
O, wer haͤtte das geglaubt?
Ein Gerippe ſonder Haupt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0214" n="202"/>
          <lg n="27">
            <l>&#x201E;Halt! nun &#x017F;ind wir an der Schwelle!&#x201E; &#x2014;</l><lb/>
            <l>Rief der Deut&#x017F;che, &#x017F;tieß ans Schloß;</l><lb/>
            <l>Ra&#x017F;&#x017F;elnd &#x017F;prang die Feder los,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie &#x017F;ahn &#x017F;ie in der Zelle.</l><lb/>
            <l>Von den Augen &#x017F;tu&#x0364;rzt die helle,</l><lb/>
            <l>Gottgeweihte Thra&#x0364;nenquelle,</l><lb/>
            <l>Flie&#x017F;&#x017F;et, aus zerknir&#x017F;chtem Sinn,</l><lb/>
            <l>Auf das ofne P&#x017F;almbuch hin.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="28">
            <l>&#x201E;Ach! wie i&#x017F;t ihr Schick&#x017F;al bitter!&#x201E;</l><lb/>
            <l>Ruft der Ga&#x017F;t, und geht hinein.</l><lb/>
            <l>Stracks fu&#x0364;hrt&#x2019; ihn an einen Schrein</l><lb/>
            <l>Der ge&#x017F;trenge Deut&#x017F;che Ritter.</l><lb/>
            <l>Wie getroffen vom Gewitter</l><lb/>
            <l>Sieht er, hinter einem Gitter,</l><lb/>
            <l>O, wer ha&#x0364;tte das geglaubt?</l><lb/>
            <l>Ein Gerippe &#x017F;onder Haupt.</l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0214] „Halt! nun ſind wir an der Schwelle!„ — Rief der Deutſche, ſtieß ans Schloß; Raſſelnd ſprang die Feder los, Und ſie ſahn ſie in der Zelle. Von den Augen ſtuͤrzt die helle, Gottgeweihte Thraͤnenquelle, Flieſſet, aus zerknirſchtem Sinn, Auf das ofne Pſalmbuch hin. „Ach! wie iſt ihr Schickſal bitter!„ Ruft der Gaſt, und geht hinein. Stracks fuͤhrt’ ihn an einen Schrein Der geſtrenge Deutſche Ritter. Wie getroffen vom Gewitter Sieht er, hinter einem Gitter, O, wer haͤtte das geglaubt? Ein Gerippe ſonder Haupt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/214
Zitationshilfe: Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/214>, abgerufen am 23.11.2024.