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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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ist sehr hart und in dem Grade in der letzten Hälfte des acht-
zehnten Jahrhunderts gewiß nicht vorgekommen.

Was die übertriebenen Forderungen der Wandergesellen an
die Umschaugesellen anlangt, so wird zugegeben, daß hin und
wieder alternde Gesellen die jüngern, besonders an Sonntagen,
ungebührlich in Anspruch nahmen; man konnte indeß von der
fortschreitenden Bildung der Handwerker und von der Aufmerk-
samkeit ihrer Obern hoffen, daß diese Beschwerde mit der Zeit
ganz aufgehört haben würde, auch bestanden schon, je nach der
Größe der Städte, einschränkende Vorschriften.

Am wichtigsten und gefährlichsten war das Schelten oder
der Verruf der Gesellen unter sich, einzelner Meister, oder ganzer
Gewerke. Es war eine usurpirte Nachahmung der statutarischen
und Gewohnheits-Rechte der Innungen und Handwerke. Diese
bedienten sich desselben als Executionsmittel wider ungehorsame
und unredliche Meister und Gesellen; unverantwortlich war es
daher von ihnen, auch ihren Gehülfen dasselbe Recht einzuräumen
und sich dadurch von dem schwachen Verstande der Jugend und
ihren Leidenschaften abhängig zu machen. Wir können diese
schädliche Gewohnheit in zwei Klassen theilen; die erste blieb,
wenn nicht außerordentliche Fälle hinzutraten, in den Grenzen
einer Hausangelegenheit der Meister, indem sie ihre Wirkung
nur auf eine Werkstatt äußerte. Sie konnte nämlich durch
Unzufriedenheit des Meisters mit seinen Gesellen, über ihre Me-
thode zu arbeiten, zu spätes Aufstehen, unvorsichtigen Gebrauch
oder Verdacht absichtlichen Mißbrauchs der Materialien, ent-
stehen, und sich bis zu einem unbewachten Ausdruck, z. B.
dumm, faul, schlecht etc. steigern; von Seiten der Gesellen konnte
Unzufriedenheit über zu geringe Speisen, unreines Bettzeug und
sonstiges Leinengeräthe *), unregelmäßige Zahlung des Wochen-
lohns, entstehen. Konnte der Meister die daraus entstehenden
Händel nicht auf der Stelle beilegen, so gingen die Gesellen, es
betraf einen oder alle in der Werkstatt, wo nicht sofort, doch
den nächsten Sonntag von ihm und verboten allen übrigen in

*) Daher das an s. O. vorgekommene Reservat der Meister, daß die
Gesellen Bett und Bettgewand nicht verachten sollen.

iſt ſehr hart und in dem Grade in der letzten Hälfte des acht-
zehnten Jahrhunderts gewiß nicht vorgekommen.

Was die übertriebenen Forderungen der Wandergeſellen an
die Umſchaugeſellen anlangt, ſo wird zugegeben, daß hin und
wieder alternde Geſellen die jüngern, beſonders an Sonntagen,
ungebührlich in Anſpruch nahmen; man konnte indeß von der
fortſchreitenden Bildung der Handwerker und von der Aufmerk-
ſamkeit ihrer Obern hoffen, daß dieſe Beſchwerde mit der Zeit
ganz aufgehört haben würde, auch beſtanden ſchon, je nach der
Größe der Städte, einſchränkende Vorſchriften.

Am wichtigſten und gefährlichſten war das Schelten oder
der Verruf der Geſellen unter ſich, einzelner Meiſter, oder ganzer
Gewerke. Es war eine uſurpirte Nachahmung der ſtatutariſchen
und Gewohnheits-Rechte der Innungen und Handwerke. Dieſe
bedienten ſich deſſelben als Executionsmittel wider ungehorſame
und unredliche Meiſter und Geſellen; unverantwortlich war es
daher von ihnen, auch ihren Gehülfen daſſelbe Recht einzuräumen
und ſich dadurch von dem ſchwachen Verſtande der Jugend und
ihren Leidenſchaften abhängig zu machen. Wir können dieſe
ſchädliche Gewohnheit in zwei Klaſſen theilen; die erſte blieb,
wenn nicht außerordentliche Fälle hinzutraten, in den Grenzen
einer Hausangelegenheit der Meiſter, indem ſie ihre Wirkung
nur auf eine Werkſtatt äußerte. Sie konnte nämlich durch
Unzufriedenheit des Meiſters mit ſeinen Geſellen, über ihre Me-
thode zu arbeiten, zu ſpätes Aufſtehen, unvorſichtigen Gebrauch
oder Verdacht abſichtlichen Mißbrauchs der Materialien, ent-
ſtehen, und ſich bis zu einem unbewachten Ausdruck, z. B.
dumm, faul, ſchlecht ꝛc. ſteigern; von Seiten der Geſellen konnte
Unzufriedenheit über zu geringe Speiſen, unreines Bettzeug und
ſonſtiges Leinengeräthe *), unregelmäßige Zahlung des Wochen-
lohns, entſtehen. Konnte der Meiſter die daraus entſtehenden
Händel nicht auf der Stelle beilegen, ſo gingen die Geſellen, es
betraf einen oder alle in der Werkſtatt, wo nicht ſofort, doch
den nächſten Sonntag von ihm und verboten allen übrigen in

*) Daher das an ſ. O. vorgekommene Reſervat der Meiſter, daß die
Geſellen Bett und Bettgewand nicht verachten ſollen.
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[105/0115] iſt ſehr hart und in dem Grade in der letzten Hälfte des acht- zehnten Jahrhunderts gewiß nicht vorgekommen. Was die übertriebenen Forderungen der Wandergeſellen an die Umſchaugeſellen anlangt, ſo wird zugegeben, daß hin und wieder alternde Geſellen die jüngern, beſonders an Sonntagen, ungebührlich in Anſpruch nahmen; man konnte indeß von der fortſchreitenden Bildung der Handwerker und von der Aufmerk- ſamkeit ihrer Obern hoffen, daß dieſe Beſchwerde mit der Zeit ganz aufgehört haben würde, auch beſtanden ſchon, je nach der Größe der Städte, einſchränkende Vorſchriften. Am wichtigſten und gefährlichſten war das Schelten oder der Verruf der Geſellen unter ſich, einzelner Meiſter, oder ganzer Gewerke. Es war eine uſurpirte Nachahmung der ſtatutariſchen und Gewohnheits-Rechte der Innungen und Handwerke. Dieſe bedienten ſich deſſelben als Executionsmittel wider ungehorſame und unredliche Meiſter und Geſellen; unverantwortlich war es daher von ihnen, auch ihren Gehülfen daſſelbe Recht einzuräumen und ſich dadurch von dem ſchwachen Verſtande der Jugend und ihren Leidenſchaften abhängig zu machen. Wir können dieſe ſchädliche Gewohnheit in zwei Klaſſen theilen; die erſte blieb, wenn nicht außerordentliche Fälle hinzutraten, in den Grenzen einer Hausangelegenheit der Meiſter, indem ſie ihre Wirkung nur auf eine Werkſtatt äußerte. Sie konnte nämlich durch Unzufriedenheit des Meiſters mit ſeinen Geſellen, über ihre Me- thode zu arbeiten, zu ſpätes Aufſtehen, unvorſichtigen Gebrauch oder Verdacht abſichtlichen Mißbrauchs der Materialien, ent- ſtehen, und ſich bis zu einem unbewachten Ausdruck, z. B. dumm, faul, ſchlecht ꝛc. ſteigern; von Seiten der Geſellen konnte Unzufriedenheit über zu geringe Speiſen, unreines Bettzeug und ſonſtiges Leinengeräthe *), unregelmäßige Zahlung des Wochen- lohns, entſtehen. Konnte der Meiſter die daraus entſtehenden Händel nicht auf der Stelle beilegen, ſo gingen die Geſellen, es betraf einen oder alle in der Werkſtatt, wo nicht ſofort, doch den nächſten Sonntag von ihm und verboten allen übrigen in *) Daher das an ſ. O. vorgekommene Reſervat der Meiſter, daß die Geſellen Bett und Bettgewand nicht verachten ſollen.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/115>, abgerufen am 23.11.2024.