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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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schenden Begriffe von Jahrhunderten zu Grunde richten: im¬
mer wird er wieder nach einem neuen "Principe" oder neuen
Herrn trachten, immer wieder eine höhere oder "tiefere" Wahr¬
heit aufrichten, immer einen Cultus wieder hervorrufen, immer
einen zur Herrschaft berufenen Geist proclamiren, ein Gesetz
für Alle hinstellen.

Giebt es auch nur Eine Wahrheit, welcher der Mensch
sein Leben und seine Kräfte widmen müßte, weil er Mensch
ist, so ist er einer Regel, Herrschaft, Gesetz u. s. w. unter¬
worfen, ist Dienstmann. Solche Wahrheit soll z. B. der
Mensch, die Menschlichkeit, die Freiheit u. s. w. sein.

Dagegen kann man so sagen: Ob Du mit dem Denken
Dich des Weiteren befassen willst, das kommt auf Dich an;
nur wisse, daß, wenn Du es im Denken zu etwas Erheblichem
bringen möchtest, viele und schwere Probleme zu lösen sind, ohne
deren Ueberwindung Du nicht weit kommen kannst. Es existirt
also keine Pflicht und kein Beruf für Dich, mit Gedanken
(Ideen, Wahrheiten) Dich abzugeben, willst Du's aber, so
wirst Du wohlthun, das, was Anderer Kräfte in Erledigung
dieser schwierigen Gegenstände schon gefördert haben, zu benutzen.

So hat also, wer denken will, allerdings eine Aufgabe,
die er sich mit jenem Willen bewußt oder unbewußt setzt; aber
die Aufgabe zu denken oder zu glauben hat Keiner. -- Im
ersteren Falle kann es heißen: Du gehst nicht weit genug, hast
ein beschränktes und befangenes Interesse, gehst der Sache nicht
auf den Grund, kurz bewältigst sie nicht vollständig. Anderer¬
seits aber, so weit Du auch jedesmal kommen magst, Du bist
doch immer zu Ende, hast keinen Beruf weiter zu schreiten und
kannst es haben, wie Du willst oder vermagst. Es steht da¬
mit, wie mit einer andern Arbeit, die Du aufgeben kannst,

ſchenden Begriffe von Jahrhunderten zu Grunde richten: im¬
mer wird er wieder nach einem neuen „Principe“ oder neuen
Herrn trachten, immer wieder eine höhere oder „tiefere“ Wahr¬
heit aufrichten, immer einen Cultus wieder hervorrufen, immer
einen zur Herrſchaft berufenen Geiſt proclamiren, ein Geſetz
für Alle hinſtellen.

Giebt es auch nur Eine Wahrheit, welcher der Menſch
ſein Leben und ſeine Kräfte widmen müßte, weil er Menſch
iſt, ſo iſt er einer Regel, Herrſchaft, Geſetz u. ſ. w. unter¬
worfen, iſt Dienſtmann. Solche Wahrheit ſoll z. B. der
Menſch, die Menſchlichkeit, die Freiheit u. ſ. w. ſein.

Dagegen kann man ſo ſagen: Ob Du mit dem Denken
Dich des Weiteren befaſſen willſt, das kommt auf Dich an;
nur wiſſe, daß, wenn Du es im Denken zu etwas Erheblichem
bringen möchteſt, viele und ſchwere Probleme zu löſen ſind, ohne
deren Ueberwindung Du nicht weit kommen kannſt. Es exiſtirt
alſo keine Pflicht und kein Beruf für Dich, mit Gedanken
(Ideen, Wahrheiten) Dich abzugeben, willſt Du's aber, ſo
wirſt Du wohlthun, das, was Anderer Kräfte in Erledigung
dieſer ſchwierigen Gegenſtände ſchon gefördert haben, zu benutzen.

So hat alſo, wer denken will, allerdings eine Aufgabe,
die er ſich mit jenem Willen bewußt oder unbewußt ſetzt; aber
die Aufgabe zu denken oder zu glauben hat Keiner. — Im
erſteren Falle kann es heißen: Du gehſt nicht weit genug, haſt
ein beſchränktes und befangenes Intereſſe, gehſt der Sache nicht
auf den Grund, kurz bewältigſt ſie nicht vollſtändig. Anderer¬
ſeits aber, ſo weit Du auch jedesmal kommen magſt, Du biſt
doch immer zu Ende, haſt keinen Beruf weiter zu ſchreiten und
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mit, wie mit einer andern Arbeit, die Du aufgeben kannſt,

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[466/0474] ſchenden Begriffe von Jahrhunderten zu Grunde richten: im¬ mer wird er wieder nach einem neuen „Principe“ oder neuen Herrn trachten, immer wieder eine höhere oder „tiefere“ Wahr¬ heit aufrichten, immer einen Cultus wieder hervorrufen, immer einen zur Herrſchaft berufenen Geiſt proclamiren, ein Geſetz für Alle hinſtellen. Giebt es auch nur Eine Wahrheit, welcher der Menſch ſein Leben und ſeine Kräfte widmen müßte, weil er Menſch iſt, ſo iſt er einer Regel, Herrſchaft, Geſetz u. ſ. w. unter¬ worfen, iſt Dienſtmann. Solche Wahrheit ſoll z. B. der Menſch, die Menſchlichkeit, die Freiheit u. ſ. w. ſein. Dagegen kann man ſo ſagen: Ob Du mit dem Denken Dich des Weiteren befaſſen willſt, das kommt auf Dich an; nur wiſſe, daß, wenn Du es im Denken zu etwas Erheblichem bringen möchteſt, viele und ſchwere Probleme zu löſen ſind, ohne deren Ueberwindung Du nicht weit kommen kannſt. Es exiſtirt alſo keine Pflicht und kein Beruf für Dich, mit Gedanken (Ideen, Wahrheiten) Dich abzugeben, willſt Du's aber, ſo wirſt Du wohlthun, das, was Anderer Kräfte in Erledigung dieſer ſchwierigen Gegenſtände ſchon gefördert haben, zu benutzen. So hat alſo, wer denken will, allerdings eine Aufgabe, die er ſich mit jenem Willen bewußt oder unbewußt ſetzt; aber die Aufgabe zu denken oder zu glauben hat Keiner. — Im erſteren Falle kann es heißen: Du gehſt nicht weit genug, haſt ein beſchränktes und befangenes Intereſſe, gehſt der Sache nicht auf den Grund, kurz bewältigſt ſie nicht vollſtändig. Anderer¬ ſeits aber, ſo weit Du auch jedesmal kommen magſt, Du biſt doch immer zu Ende, haſt keinen Beruf weiter zu ſchreiten und kannſt es haben, wie Du willſt oder vermagſt. Es ſteht da¬ mit, wie mit einer andern Arbeit, die Du aufgeben kannſt,

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/474>, abgerufen am 23.11.2024.