wahres Ich." Diesem Ich nachzujagen, es herzustellen, es zu realisiren, macht die schwere Aufgabe der Sterblichen aus, die nur sterben, um aufzuerstehen, nur leben, um zu sterben, nur leben, um das wahre Leben zu finden.
Erst dann, wenn Ich Meiner gewiß bin und Mich nicht mehr suche, bin Ich wahrhaft mein Eigenthum: Ich habe Mich, darum brauche und genieße Ich Mich. Dagegen kann Ich Meiner nimmermehr froh werden, so lange Ich denke, mein wahres Ich hätte Ich erst noch zu finden, und es müsse dahin kommen, daß nicht Ich, sondern Christus in Mir lebe oder irgend ein anderes geistiges, d. h. gespenstisches Ich, z. B. der wahre Mensch, das Wesen des Menschen u. dgl.
Ein ungeheurer Abstand trennt beide Anschauungen: in der alten gehe Ich auf Mich zu, in der neuen gehe Ich von Mir aus, in jener sehne Ich Mich nach Mir, in dieser habe Ich Mich und mache es mit Mir, wie man's mit jedem an¬ dern Eigenthum macht, -- Ich genieße Mich nach meinem Wohlgefallen. Ich bange nicht mehr um's Leben, sondern "verthue" es.
Von jetzt an lautet die Frage, nicht wie man das Leben erwerben, sondern wie man's verthun, genießen könne, oder nicht wie man das wahre Ich in sich herzustellen, sondern wie man sich aufzulösen, sich auszuleben habe.
Was wäre das Ideal wohl anders, als das gesuchte, stets ferne Ich? Sich sucht man, folglich hat man sich noch nicht, man trachtet nach dem, was man sein soll, folg¬ lich ist man's nicht. Man lebt in Sehnsucht und hat Jahrtausende in ihr, hat in Hoffnung gelebt. Ganz an¬ ders lebt es sich im -- Genuß!
Trifft dieß etwa nur die sogenannten Frommen? Nein, es
wahres Ich.“ Dieſem Ich nachzujagen, es herzuſtellen, es zu realiſiren, macht die ſchwere Aufgabe der Sterblichen aus, die nur ſterben, um aufzuerſtehen, nur leben, um zu ſterben, nur leben, um das wahre Leben zu finden.
Erſt dann, wenn Ich Meiner gewiß bin und Mich nicht mehr ſuche, bin Ich wahrhaft mein Eigenthum: Ich habe Mich, darum brauche und genieße Ich Mich. Dagegen kann Ich Meiner nimmermehr froh werden, ſo lange Ich denke, mein wahres Ich hätte Ich erſt noch zu finden, und es müſſe dahin kommen, daß nicht Ich, ſondern Chriſtus in Mir lebe oder irgend ein anderes geiſtiges, d. h. geſpenſtiſches Ich, z. B. der wahre Menſch, das Weſen des Menſchen u. dgl.
Ein ungeheurer Abſtand trennt beide Anſchauungen: in der alten gehe Ich auf Mich zu, in der neuen gehe Ich von Mir aus, in jener ſehne Ich Mich nach Mir, in dieſer habe Ich Mich und mache es mit Mir, wie man's mit jedem an¬ dern Eigenthum macht, — Ich genieße Mich nach meinem Wohlgefallen. Ich bange nicht mehr um's Leben, ſondern „verthue“ es.
Von jetzt an lautet die Frage, nicht wie man das Leben erwerben, ſondern wie man's verthun, genießen könne, oder nicht wie man das wahre Ich in ſich herzuſtellen, ſondern wie man ſich aufzulöſen, ſich auszuleben habe.
Was wäre das Ideal wohl anders, als das geſuchte, ſtets ferne Ich? Sich ſucht man, folglich hat man ſich noch nicht, man trachtet nach dem, was man ſein ſoll, folg¬ lich iſt man's nicht. Man lebt in Sehnſucht und hat Jahrtauſende in ihr, hat in Hoffnung gelebt. Ganz an¬ ders lebt es ſich im — Genuß!
Trifft dieß etwa nur die ſogenannten Frommen? Nein, es
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wahres Ich.“ Dieſem Ich nachzujagen, es herzuſtellen, es zu
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nur ſterben, um aufzuerſtehen, nur leben, um zu ſterben,
nur leben, um das wahre Leben zu finden.
Erſt dann, wenn Ich Meiner gewiß bin und Mich nicht
mehr ſuche, bin Ich wahrhaft mein Eigenthum: Ich habe
Mich, darum brauche und genieße Ich Mich. Dagegen kann
Ich Meiner nimmermehr froh werden, ſo lange Ich denke,
mein wahres Ich hätte Ich erſt noch zu finden, und es müſſe
dahin kommen, daß nicht Ich, ſondern Chriſtus in Mir lebe
oder irgend ein anderes geiſtiges, d. h. geſpenſtiſches Ich,
z. B. der wahre Menſch, das Weſen des Menſchen u. dgl.
Ein ungeheurer Abſtand trennt beide Anſchauungen: in
der alten gehe Ich auf Mich zu, in der neuen gehe Ich von
Mir aus, in jener ſehne Ich Mich nach Mir, in dieſer habe
Ich Mich und mache es mit Mir, wie man's mit jedem an¬
dern Eigenthum macht, — Ich genieße Mich nach meinem
Wohlgefallen. Ich bange nicht mehr um's Leben, ſondern
„verthue“ es.
Von jetzt an lautet die Frage, nicht wie man das Leben
erwerben, ſondern wie man's verthun, genießen könne, oder
nicht wie man das wahre Ich in ſich herzuſtellen, ſondern wie
man ſich aufzulöſen, ſich auszuleben habe.
Was wäre das Ideal wohl anders, als das geſuchte,
ſtets ferne Ich? Sich ſucht man, folglich hat man ſich
noch nicht, man trachtet nach dem, was man ſein ſoll, folg¬
lich iſt man's nicht. Man lebt in Sehnſucht und hat
Jahrtauſende in ihr, hat in Hoffnung gelebt. Ganz an¬
ders lebt es ſich im — Genuß!
Trifft dieß etwa nur die ſogenannten Frommen? Nein, es
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/436>, abgerufen am 23.11.2024.
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