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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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keit ist der Sinn bei Feudalität, des Lehnswesens, das seit
dem vorigen Jahrhundert nur den Lehnsherrn vertauscht hat,
indem es "den Menschen" an die Stelle Gottes setzte und vom
Menschen zu Lehen annahm, was vorher ein Lehen von Got¬
tes Gnaden gewesen war. Daß die Lumperei des Commu¬
nismus durch das humane Princip zur absoluten oder lum¬
pigsten Lumperei hinausgeführt wird, ist oben gezeigt worden,
zugleich aber auch, wie nur so die Lumperei zur Eigenheit um¬
schlagen kann. Das alte Feudalwesen wurde in der Revo¬
lution so gründlich eingestampft, daß seitdem alle reactionaire
List fruchtlos blieb und immer fruchtlos bleiben wird, weil das
Todte -- todt ist; aber auch die Auferstehung mußte in der christ¬
lichen Geschichte sich als eine Wahrheit bewähren und hat sich
bewährt: denn in einem Jenseits ist mit verklärtem Leibe die
Feudalität wiedererstanden, die neue Feudalität unter der
Oberlehnsherrlichkeit "des Menschen".

Das Christenthum ist nicht vernichtet, sondern die Gläu¬
bigen haben Recht, wenn sie bisher von jedem Kampfe dagegen
vertrauungsvoll annahmen, daß er nur zur Läuterung und Be¬
festigung desselben dienen könne; denn es ist wirklich nur verklärt
worden, und "das Christenthum"ist Christenthum" ist das -- menschliche.
Wir leben noch ganz im christlichen Zeitalter, und die sich
daran am meisten ärgern, tragen gerade am eifrigsten dazu bei,
es zu "vollenden". Je menschlicher, desto lieber ist Uns die
Feudalität geworden; denn desto weniger glauben Wir, daß sie
noch Feudalität sei, desto getroster nehmen Wir sie für Eigen¬
heit und meinen unser "Eigenstes" gefunden zu haben, wenn
Wir "das Menschliche" entdecken.

Der Liberalismus will Mir das Meinige geben, aber nicht
unter dem Titel des Meinigen, sondern unter dem des "Mensch¬

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keit iſt der Sinn bei Feudalität, des Lehnsweſens, das ſeit
dem vorigen Jahrhundert nur den Lehnsherrn vertauſcht hat,
indem es „den Menſchen“ an die Stelle Gottes ſetzte und vom
Menſchen zu Lehen annahm, was vorher ein Lehen von Got¬
tes Gnaden geweſen war. Daß die Lumperei des Commu¬
nismus durch das humane Princip zur abſoluten oder lum¬
pigſten Lumperei hinausgeführt wird, iſt oben gezeigt worden,
zugleich aber auch, wie nur ſo die Lumperei zur Eigenheit um¬
ſchlagen kann. Das alte Feudalweſen wurde in der Revo¬
lution ſo gründlich eingeſtampft, daß ſeitdem alle reactionaire
Liſt fruchtlos blieb und immer fruchtlos bleiben wird, weil das
Todte — todt iſt; aber auch die Auferſtehung mußte in der chriſt¬
lichen Geſchichte ſich als eine Wahrheit bewähren und hat ſich
bewährt: denn in einem Jenſeits iſt mit verklärtem Leibe die
Feudalität wiedererſtanden, die neue Feudalität unter der
Oberlehnsherrlichkeit „des Menſchen“.

Das Chriſtenthum iſt nicht vernichtet, ſondern die Gläu¬
bigen haben Recht, wenn ſie bisher von jedem Kampfe dagegen
vertrauungsvoll annahmen, daß er nur zur Läuterung und Be¬
feſtigung deſſelben dienen könne; denn es iſt wirklich nur verklärt
worden, und „das Chriſtenthum“iſt Chriſtenthum“ iſt das — menſchliche.
Wir leben noch ganz im chriſtlichen Zeitalter, und die ſich
daran am meiſten ärgern, tragen gerade am eifrigſten dazu bei,
es zu „vollenden“. Je menſchlicher, deſto lieber iſt Uns die
Feudalität geworden; denn deſto weniger glauben Wir, daß ſie
noch Feudalität ſei, deſto getroſter nehmen Wir ſie für Eigen¬
heit und meinen unſer „Eigenſtes“ gefunden zu haben, wenn
Wir „das Menſchliche“ entdecken.

Der Liberalismus will Mir das Meinige geben, aber nicht
unter dem Titel des Meinigen, ſondern unter dem des „Menſch¬

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[419/0427] keit iſt der Sinn bei Feudalität, des Lehnsweſens, das ſeit dem vorigen Jahrhundert nur den Lehnsherrn vertauſcht hat, indem es „den Menſchen“ an die Stelle Gottes ſetzte und vom Menſchen zu Lehen annahm, was vorher ein Lehen von Got¬ tes Gnaden geweſen war. Daß die Lumperei des Commu¬ nismus durch das humane Princip zur abſoluten oder lum¬ pigſten Lumperei hinausgeführt wird, iſt oben gezeigt worden, zugleich aber auch, wie nur ſo die Lumperei zur Eigenheit um¬ ſchlagen kann. Das alte Feudalweſen wurde in der Revo¬ lution ſo gründlich eingeſtampft, daß ſeitdem alle reactionaire Liſt fruchtlos blieb und immer fruchtlos bleiben wird, weil das Todte — todt iſt; aber auch die Auferſtehung mußte in der chriſt¬ lichen Geſchichte ſich als eine Wahrheit bewähren und hat ſich bewährt: denn in einem Jenſeits iſt mit verklärtem Leibe die Feudalität wiedererſtanden, die neue Feudalität unter der Oberlehnsherrlichkeit „des Menſchen“. Das Chriſtenthum iſt nicht vernichtet, ſondern die Gläu¬ bigen haben Recht, wenn ſie bisher von jedem Kampfe dagegen vertrauungsvoll annahmen, daß er nur zur Läuterung und Be¬ feſtigung deſſelben dienen könne; denn es iſt wirklich nur verklärt worden, und „das Chriſtenthum“iſt Chriſtenthum“ iſt das — menſchliche. Wir leben noch ganz im chriſtlichen Zeitalter, und die ſich daran am meiſten ärgern, tragen gerade am eifrigſten dazu bei, es zu „vollenden“. Je menſchlicher, deſto lieber iſt Uns die Feudalität geworden; denn deſto weniger glauben Wir, daß ſie noch Feudalität ſei, deſto getroſter nehmen Wir ſie für Eigen¬ heit und meinen unſer „Eigenſtes“ gefunden zu haben, wenn Wir „das Menſchliche“ entdecken. Der Liberalismus will Mir das Meinige geben, aber nicht unter dem Titel des Meinigen, ſondern unter dem des „Menſch¬ 27*

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/427>, abgerufen am 27.11.2024.