Sollte die Presse frei sein, so wäre gerade nichts so wich¬ tig, als ihre Befreiung von jedem Zwange, der ihr im Na¬ men eines Gesetzes angethan werden könnte. Und daß es dazu komme, müßte eben Ich selbst vom Gehorsam gegen das Gesetz Mich entbunden haben.
Freilich, die absolute Freiheit der Presse ist wie jede ab¬ solute Freiheit ein Unding. Von gar Vielem kann sie frei werden, aber immer nur von dem, wovon auch Ich frei bin. Machen Wir Uns vom Heiligen frei, sind Wir heillos und gesetzlos geworden, so werden's auch unsere Worte werden.
So wenig Wir in der Welt von jedem Zwange losge¬ sprochen werden können, so wenig läßt sich unsere Schrift demselben entziehen. Aber so frei als Wir sind, so frei kön¬ nen Wir auch jene machen.
Sie muß also Unser eigen werden, statt, wie bisher, einem Spuk zu dienen.
Man bleibt sich unklar bei dem Rufe nach Preßfreiheit. Was man angeblich verlangt, ist dieß, daß der Staat die Presse frei geben solle; was man aber eigentlich, und ohne es selbst zu wissen, haben will, ist dieß, daß die Presse vom Staate frei oder den Staat los werde. Jenes ist eine Petition an den Staat, dieses eine Empörung gegen den Staat. Als eine "Bitte um Recht", selbst als ein ernstes Fordern des Preßfreiheitsrechtes setzt sie den Staat als den Geber vor¬ aus und kann nur auf ein Geschenk, eine Zulassung, ein Octroyiren hoffen. Wohl möglich, daß ein Staat so unsinnig handelt, das geforderte Geschenk zu gewähren; es ist aber Alles zu wetten, daß die Beschenkten das Geschenk nicht zu gebrauchen wissen werden, so lange sie den Staat als eine Wahrheit betrachten: sie werden sich an diesem "Heiligen"
Sollte die Preſſe frei ſein, ſo wäre gerade nichts ſo wich¬ tig, als ihre Befreiung von jedem Zwange, der ihr im Na¬ men eines Geſetzes angethan werden könnte. Und daß es dazu komme, müßte eben Ich ſelbſt vom Gehorſam gegen das Geſetz Mich entbunden haben.
Freilich, die abſolute Freiheit der Preſſe iſt wie jede ab¬ ſolute Freiheit ein Unding. Von gar Vielem kann ſie frei werden, aber immer nur von dem, wovon auch Ich frei bin. Machen Wir Uns vom Heiligen frei, ſind Wir heillos und geſetzlos geworden, ſo werden's auch unſere Worte werden.
So wenig Wir in der Welt von jedem Zwange losge¬ ſprochen werden können, ſo wenig läßt ſich unſere Schrift demſelben entziehen. Aber ſo frei als Wir ſind, ſo frei kön¬ nen Wir auch jene machen.
Sie muß alſo Unſer eigen werden, ſtatt, wie bisher, einem Spuk zu dienen.
Man bleibt ſich unklar bei dem Rufe nach Preßfreiheit. Was man angeblich verlangt, iſt dieß, daß der Staat die Preſſe frei geben ſolle; was man aber eigentlich, und ohne es ſelbſt zu wiſſen, haben will, iſt dieß, daß die Preſſe vom Staate frei oder den Staat los werde. Jenes iſt eine Petition an den Staat, dieſes eine Empörung gegen den Staat. Als eine „Bitte um Recht“, ſelbſt als ein ernſtes Fordern des Preßfreiheitsrechtes ſetzt ſie den Staat als den Geber vor¬ aus und kann nur auf ein Geſchenk, eine Zulaſſung, ein Octroyiren hoffen. Wohl möglich, daß ein Staat ſo unſinnig handelt, das geforderte Geſchenk zu gewähren; es iſt aber Alles zu wetten, daß die Beſchenkten das Geſchenk nicht zu gebrauchen wiſſen werden, ſo lange ſie den Staat als eine Wahrheit betrachten: ſie werden ſich an dieſem „Heiligen“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0381"n="373"/><p>Sollte die Preſſe frei ſein, ſo wäre gerade nichts ſo wich¬<lb/>
tig, als ihre Befreiung von jedem Zwange, der ihr im <hirendition="#g">Na</hi>¬<lb/><hirendition="#g">men eines Geſetzes</hi> angethan werden könnte. Und daß es<lb/>
dazu komme, müßte eben Ich ſelbſt vom Gehorſam gegen das<lb/>
Geſetz Mich entbunden haben.</p><lb/><p>Freilich, die abſolute Freiheit der Preſſe iſt wie jede ab¬<lb/>ſolute Freiheit ein Unding. Von gar Vielem kann ſie frei<lb/>
werden, aber immer nur von dem, wovon auch Ich frei bin.<lb/>
Machen Wir Uns vom Heiligen frei, ſind Wir <hirendition="#g">heillos</hi> und<lb/><hirendition="#g">geſetzlos</hi> geworden, ſo werden's auch unſere Worte werden.</p><lb/><p>So wenig <hirendition="#g">Wir</hi> in der Welt von jedem Zwange losge¬<lb/>ſprochen werden können, ſo wenig läßt ſich unſere Schrift<lb/>
demſelben entziehen. Aber ſo frei als Wir ſind, ſo frei kön¬<lb/>
nen Wir auch jene machen.</p><lb/><p>Sie muß alſo Unſer <hirendition="#g">eigen</hi> werden, ſtatt, wie bisher,<lb/>
einem Spuk zu dienen.</p><lb/><p>Man bleibt ſich unklar bei dem Rufe nach Preßfreiheit.<lb/>
Was man angeblich verlangt, iſt dieß, daß der Staat die<lb/>
Preſſe frei geben ſolle; was man aber eigentlich, und ohne es<lb/>ſelbſt zu wiſſen, haben will, iſt dieß, daß die Preſſe vom Staate<lb/>
frei oder den Staat los werde. Jenes iſt eine <hirendition="#g">Petition an</hi><lb/>
den Staat, dieſes eine <hirendition="#g">Empörung gegen</hi> den Staat. Als<lb/>
eine „Bitte um Recht“, ſelbſt als ein ernſtes Fordern des<lb/>
Preßfreiheitsrechtes ſetzt ſie den Staat als den <hirendition="#g">Geber</hi> vor¬<lb/>
aus und kann nur auf ein <hirendition="#g">Geſchenk</hi>, eine Zulaſſung, ein<lb/>
Octroyiren hoffen. Wohl möglich, daß ein Staat ſo unſinnig<lb/>
handelt, das geforderte Geſchenk zu gewähren; es iſt aber<lb/>
Alles zu wetten, daß die Beſchenkten das Geſchenk nicht zu<lb/>
gebrauchen wiſſen werden, ſo lange ſie den Staat als eine<lb/>
Wahrheit betrachten: ſie werden ſich an dieſem „Heiligen“<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[373/0381]
Sollte die Preſſe frei ſein, ſo wäre gerade nichts ſo wich¬
tig, als ihre Befreiung von jedem Zwange, der ihr im Na¬
men eines Geſetzes angethan werden könnte. Und daß es
dazu komme, müßte eben Ich ſelbſt vom Gehorſam gegen das
Geſetz Mich entbunden haben.
Freilich, die abſolute Freiheit der Preſſe iſt wie jede ab¬
ſolute Freiheit ein Unding. Von gar Vielem kann ſie frei
werden, aber immer nur von dem, wovon auch Ich frei bin.
Machen Wir Uns vom Heiligen frei, ſind Wir heillos und
geſetzlos geworden, ſo werden's auch unſere Worte werden.
So wenig Wir in der Welt von jedem Zwange losge¬
ſprochen werden können, ſo wenig läßt ſich unſere Schrift
demſelben entziehen. Aber ſo frei als Wir ſind, ſo frei kön¬
nen Wir auch jene machen.
Sie muß alſo Unſer eigen werden, ſtatt, wie bisher,
einem Spuk zu dienen.
Man bleibt ſich unklar bei dem Rufe nach Preßfreiheit.
Was man angeblich verlangt, iſt dieß, daß der Staat die
Preſſe frei geben ſolle; was man aber eigentlich, und ohne es
ſelbſt zu wiſſen, haben will, iſt dieß, daß die Preſſe vom Staate
frei oder den Staat los werde. Jenes iſt eine Petition an
den Staat, dieſes eine Empörung gegen den Staat. Als
eine „Bitte um Recht“, ſelbſt als ein ernſtes Fordern des
Preßfreiheitsrechtes ſetzt ſie den Staat als den Geber vor¬
aus und kann nur auf ein Geſchenk, eine Zulaſſung, ein
Octroyiren hoffen. Wohl möglich, daß ein Staat ſo unſinnig
handelt, das geforderte Geſchenk zu gewähren; es iſt aber
Alles zu wetten, daß die Beſchenkten das Geſchenk nicht zu
gebrauchen wiſſen werden, ſo lange ſie den Staat als eine
Wahrheit betrachten: ſie werden ſich an dieſem „Heiligen“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/381>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.