Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

deln, wenn sie das besondere Wesen, welches sie trennt und
zu ewiger Absonderung verpflichtet, aufgeben, das allgemeine
Wesen "des Menschen" anerkennen und als ihr "wahres We¬
sen" betrachten.

Nach seiner Darstellung liegt der Fehler der Juden wie
der Christen darin, daß sie etwas "Apartes" sein und haben
wollen, statt nur Menschen zu sein und Menschliches zu erstre¬
ben, nämlich die "allgemeinen Menschenrechte". Er meint,
ihr Grundirrthum bestehe in dem Glauben, sie seien "privile¬
girt", besäßen "Vorrechte", überhaupt in dem Glauben an
das Vorrecht. Dagegen hält er ihnen das allgemeine Men¬
schenrecht vor. Das Menschenrecht! --

Der Mensch ist der Mensch überhaupt und insofern
Jeder, der Mensch ist. Nun soll Jeder die ewigen Menschen¬
rechte haben, und in der vollkommenen "Demokratie" oder,
wie es richtiger heißen müßte -- Anthropokratie, nach der
Meinung der Communisten sie genießen. Aber nur Ich habe
Alles, was Ich Mir -- verschaffe; als Mensch habe Ich
nichts. Man möchte jedem Menschen alles Gute zufließen
lassen, bloß weil er den Titel "Mensch" hat. Ich aber lege
den Accent auf Mich, nicht daraus, daß Ich Mensch bin.

Der Mensch ist nur etwas als meine Eigenschaft
(Eigenthum), wie die Männlichkeit oder Weiblichkeit. Die
Alten fanden das Ideal darin, daß man im vollen Sinne
Mann sei; ihre Tugend ist virtus und arete, d. h. Männ¬
lichkeit. Was soll man von einem Weibe denken, die nur
vollkommen "Weib" sein wollte? Das ist nicht jeder gegeben
und Manche würde sich damit ein unerreichbares Ziel setzen.
Weiblich dagegen ist sie ohnehin, von Natur, die Weiblich¬
keit ist ihre Eigenschaft, und sie braucht der "ächten Weiblich¬

deln, wenn ſie das beſondere Weſen, welches ſie trennt und
zu ewiger Abſonderung verpflichtet, aufgeben, das allgemeine
Weſen „des Menſchen“ anerkennen und als ihr „wahres We¬
ſen“ betrachten.

Nach ſeiner Darſtellung liegt der Fehler der Juden wie
der Chriſten darin, daß ſie etwas „Apartes“ ſein und haben
wollen, ſtatt nur Menſchen zu ſein und Menſchliches zu erſtre¬
ben, nämlich die „allgemeinen Menſchenrechte“. Er meint,
ihr Grundirrthum beſtehe in dem Glauben, ſie ſeien „privile¬
girt“, beſäßen „Vorrechte“, überhaupt in dem Glauben an
das Vorrecht. Dagegen hält er ihnen das allgemeine Men¬
ſchenrecht vor. Das Menſchenrecht! —

Der Menſch iſt der Menſch überhaupt und inſofern
Jeder, der Menſch iſt. Nun ſoll Jeder die ewigen Menſchen¬
rechte haben, und in der vollkommenen „Demokratie“ oder,
wie es richtiger heißen müßte — Anthropokratie, nach der
Meinung der Communiſten ſie genießen. Aber nur Ich habe
Alles, was Ich Mir — verſchaffe; als Menſch habe Ich
nichts. Man möchte jedem Menſchen alles Gute zufließen
laſſen, bloß weil er den Titel „Menſch“ hat. Ich aber lege
den Accent auf Mich, nicht daraus, daß Ich Menſch bin.

Der Menſch iſt nur etwas als meine Eigenſchaft
(Eigenthum), wie die Männlichkeit oder Weiblichkeit. Die
Alten fanden das Ideal darin, daß man im vollen Sinne
Mann ſei; ihre Tugend iſt virtus und arete, d. h. Männ¬
lichkeit. Was ſoll man von einem Weibe denken, die nur
vollkommen „Weib“ ſein wollte? Das iſt nicht jeder gegeben
und Manche würde ſich damit ein unerreichbares Ziel ſetzen.
Weiblich dagegen iſt ſie ohnehin, von Natur, die Weiblich¬
keit iſt ihre Eigenſchaft, und ſie braucht der „ächten Weiblich¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0246" n="238"/>
deln, wenn &#x017F;ie das be&#x017F;ondere We&#x017F;en, welches &#x017F;ie trennt und<lb/>
zu ewiger Ab&#x017F;onderung verpflichtet, aufgeben, das allgemeine<lb/>
We&#x017F;en &#x201E;des Men&#x017F;chen&#x201C; anerkennen und als ihr &#x201E;wahres We¬<lb/>
&#x017F;en&#x201C; betrachten.</p><lb/>
          <p>Nach &#x017F;einer Dar&#x017F;tellung liegt der Fehler der Juden wie<lb/>
der Chri&#x017F;ten darin, daß &#x017F;ie etwas &#x201E;Apartes&#x201C; &#x017F;ein und haben<lb/>
wollen, &#x017F;tatt nur Men&#x017F;chen zu &#x017F;ein und Men&#x017F;chliches zu er&#x017F;tre¬<lb/>
ben, nämlich die &#x201E;allgemeinen Men&#x017F;chenrechte&#x201C;. Er meint,<lb/>
ihr Grundirrthum be&#x017F;tehe in dem Glauben, &#x017F;ie &#x017F;eien &#x201E;privile¬<lb/>
girt&#x201C;, be&#x017F;äßen &#x201E;Vorrechte&#x201C;, überhaupt in dem Glauben an<lb/>
das <hi rendition="#g">Vorrecht</hi>. Dagegen hält er ihnen das allgemeine Men¬<lb/>
&#x017F;chenrecht vor. Das Men&#x017F;chenrecht! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t <hi rendition="#g">der Men&#x017F;ch überhaupt</hi> und in&#x017F;ofern<lb/>
Jeder, der Men&#x017F;ch i&#x017F;t. Nun &#x017F;oll Jeder die ewigen Men&#x017F;chen¬<lb/>
rechte haben, und in der vollkommenen &#x201E;Demokratie&#x201C; oder,<lb/>
wie es richtiger heißen müßte &#x2014; Anthropokratie, nach der<lb/>
Meinung der Communi&#x017F;ten &#x017F;ie genießen. Aber nur Ich habe<lb/>
Alles, was Ich Mir &#x2014; ver&#x017F;chaffe; als Men&#x017F;ch habe Ich<lb/>
nichts. Man möchte jedem Men&#x017F;chen alles Gute zufließen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, bloß weil er den Titel &#x201E;Men&#x017F;ch&#x201C; hat. Ich aber lege<lb/>
den Accent auf <hi rendition="#g">Mich</hi>, nicht daraus, daß Ich <hi rendition="#g">Men&#x017F;ch</hi> bin.</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t nur etwas als <hi rendition="#g">meine Eigen&#x017F;chaft</hi><lb/>
(Eigenthum), wie die Männlichkeit oder Weiblichkeit. Die<lb/>
Alten fanden das Ideal darin, daß man im vollen Sinne<lb/><hi rendition="#g">Mann</hi> &#x017F;ei; ihre Tugend i&#x017F;t <hi rendition="#aq">virtus</hi> und <hi rendition="#aq">arete</hi>, d. h. Männ¬<lb/>
lichkeit. Was &#x017F;oll man von einem Weibe denken, die nur<lb/>
vollkommen &#x201E;Weib&#x201C; &#x017F;ein wollte? Das i&#x017F;t nicht jeder gegeben<lb/>
und Manche würde &#x017F;ich damit ein unerreichbares Ziel &#x017F;etzen.<lb/><hi rendition="#g">Weiblich</hi> dagegen i&#x017F;t &#x017F;ie ohnehin, von Natur, die Weiblich¬<lb/>
keit i&#x017F;t ihre Eigen&#x017F;chaft, und &#x017F;ie braucht der &#x201E;ächten Weiblich¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0246] deln, wenn ſie das beſondere Weſen, welches ſie trennt und zu ewiger Abſonderung verpflichtet, aufgeben, das allgemeine Weſen „des Menſchen“ anerkennen und als ihr „wahres We¬ ſen“ betrachten. Nach ſeiner Darſtellung liegt der Fehler der Juden wie der Chriſten darin, daß ſie etwas „Apartes“ ſein und haben wollen, ſtatt nur Menſchen zu ſein und Menſchliches zu erſtre¬ ben, nämlich die „allgemeinen Menſchenrechte“. Er meint, ihr Grundirrthum beſtehe in dem Glauben, ſie ſeien „privile¬ girt“, beſäßen „Vorrechte“, überhaupt in dem Glauben an das Vorrecht. Dagegen hält er ihnen das allgemeine Men¬ ſchenrecht vor. Das Menſchenrecht! — Der Menſch iſt der Menſch überhaupt und inſofern Jeder, der Menſch iſt. Nun ſoll Jeder die ewigen Menſchen¬ rechte haben, und in der vollkommenen „Demokratie“ oder, wie es richtiger heißen müßte — Anthropokratie, nach der Meinung der Communiſten ſie genießen. Aber nur Ich habe Alles, was Ich Mir — verſchaffe; als Menſch habe Ich nichts. Man möchte jedem Menſchen alles Gute zufließen laſſen, bloß weil er den Titel „Menſch“ hat. Ich aber lege den Accent auf Mich, nicht daraus, daß Ich Menſch bin. Der Menſch iſt nur etwas als meine Eigenſchaft (Eigenthum), wie die Männlichkeit oder Weiblichkeit. Die Alten fanden das Ideal darin, daß man im vollen Sinne Mann ſei; ihre Tugend iſt virtus und arete, d. h. Männ¬ lichkeit. Was ſoll man von einem Weibe denken, die nur vollkommen „Weib“ ſein wollte? Das iſt nicht jeder gegeben und Manche würde ſich damit ein unerreichbares Ziel ſetzen. Weiblich dagegen iſt ſie ohnehin, von Natur, die Weiblich¬ keit iſt ihre Eigenſchaft, und ſie braucht der „ächten Weiblich¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/246
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/246>, abgerufen am 27.11.2024.